Wie Schulen hilflos mit der „Welt der Informationen“ umgehen

Wer beispielsweise in Sekretariaten großer Schulen erlebt, wie mit eingehender Post umgegangen wird, ahnt in etwa, wie sich das System Schule in der Regel insgesamt zum Rohstoff Information verhält:
Vielfach unprofessionell d. h. ohne strukturierende Vorgaben und ohne Absichten nachhaltiger Informationsspeicherung für das gesamte Lehr- und Lern-Unternehmen Schule.

So landen viele der hier eintreffenden Materialien, die nicht personengebunden adressiert sind, oftmals notgedrungen im Papierkorb.
Es sei denn die Schulleitung erbarmt sich der Informationslawine und wertet die ständig zunehmenden Postmengen nach Gesichtspunkten ihrer Leitungsfunktion aus.

Eine systematische Informationsselektion und -speicherung glauben auch große Schulen sich – von Ausnahmen abgesehen – immer noch nicht für ihr Arbeitsfeld leisten zu müssen.

Dem an der Dienstleistungswirtschaft geschulten Blick bleibt es völlig unverständlich, warum diese Bildungseinrichtungen – im Zeitalter neuer Informationstechniken – meinen, allein mit der althergebrachten Lehrbuchsammlung, Schwarzem Brett und am Ende dem unvermeidlichen Papierkorb der Informationsvielfalt zu Leibe rücken zu dürfen.

Verdankt sich der Ursprung von Schule nicht eigentlich der systematischen Sammlung, Aufbereitung und Vermittlung von zeitnahem und lebensrelevantem Wissen an Heranwachsende? Muss es also nicht im schulischen Eigeninteresse liegen, diese Aufgabenstellung immer wieder neu und vor allen Dingen zeitgerecht wahrzunehmen – erst recht in der sogenannten Wissensgesellschaft?
Aber ja doch und mit allen Mitteln!

Aber wie sieht es mit der Auswahl und nachfolgender Auffindbarkeit von lern- und lehrrelevanten Materialien konkret in der Schulpraxis aus?

Wird die Material- und Medienvielfalt bewusst selektiert, dokumentiert und für den schulischen Raum bereitgestellt?

Und wie lassen sich diesbezügliche Bedürfnisse und Erwartungen von Lehrern und Schülern beschreiben und woran krankt in aller Regel deren Wunscherfüllung?

Perspektive 1: Die Lehrenden
Die Lehrkraft bereitet ihren Unterricht vor, wie sie es in ihrem eigenen Alltag als Schülerin oder Schüler kennen gelernt hat: Informationen schöpfend – meist jeder für sich allein – aus der seit Jahren bestehenden eigenen Materialiensammlung.

Abgesehen von gelegentlicher ergänzender Internet-Recherche und zufälligen Kollegenhinweisen bleibt die Unterrichtsvorbereitung praktisch unbeeinflusst von einem aktuellen schulspezifisch verfügbaren Materialien- und Wissenspool, den es einfach so nicht gibt.

Warum aber ist im Schulalltag ein solch angeraten datengestützter Wissensspeicher mit Hinweis auf den (Standort)Ort der Information nicht vorhanden?

An veralteten Lehrplänen und zu wenig fortgebildeten Lehrkräften kann es nicht liegen, dass die schulische Informationskultur seltsam starr bleibt und bezogen auf die die Schule umgebende Gesellschaft so wenig in die Zukunft weist. Auch der seit Jahren von Seiten der Wirtschaft gepushte Einsatz sog. Neuer Medien bringt wegen fehlenden praxistauglichen Einbezugs in vorhandene Strukturen und Denkweisen immer noch keinen schulinternen Wandel.

So wechseln sich Schul- mit Ferienzeiten ab und dieselben informationellen Unzulänglichkeiten fangen am Schuljahresbeginn immer wieder von vorne an.

Von Lehrkräften hier und da angedachte Veränderungen des Lernarrangements, wie besonders die fortlaufende Dokumentation und Präsentation neu hinzukommender Lern- und Lehrmaterialien, scheitern personell ganz einfach am saisonbedingten Arbeitsverhalten von Lehrkräften einerseits und deren generell knappen Arbeitszeitbudgets andererseits.

Perspektive 2: Die Lernenden
Sich immer wieder wiederholende Erlebnisse in weiterführenden Schulen: Schülerinnen und Schüler stürmen aus ihrem Klassenraum mit dem Auftrag der Lehrkraft im Ohr, bitte einmal im Internet-Raum nach Informationen – beispielsweise zum Thema Olympiade – zu suchen.
Solch ein Arbeitsauftrag, der auf den ersten Blick auf einen modernen Unterricht hinzudeuten scheint, kommt in den Köpfen der Lernenden als voraussetzungslose Aufforderung an, in einer Suchmaschine des Internets den Suchbegriff einzugeben und nachfolgend schematisch und unreflektiert Fundstellen auszudrucken.
Dass den Lernenden dabei die Fülle der gefundenen Quellen in aller Regel nur so um Auge und Ohr fliegen muss, ist im Vorfeld der Unterrichtsplanung meist kein Gedanke verschwendet worden.

Viele Lehrkräfte möchten nicht erkennen, wie an keine Bedingung geknüpfter Internetgebrauch ihre Schüler verhaltensmäßig ungewollt auf Distanz zu klassischen Bildungsmedien bringt und ihnen damit mehr Lernchancen verschlossen als faktisch eröffnet werden.

Fehlt der Schule zudem noch eine schülerzentrierte Mediensammlung wie die einer Schulbibliothek tappt diese hilflos modernistische Lernstrategie mit dem Motto „Sucht’ doch ´mal im Internet“ vollends in eine Falle, dem Gebrauch und der Auswertung klassischer Medien fälschlicherweise eine nur noch relative Bedeutung beizumessen, weil deren Berücksichtigung – vermeintlich aus Aktualitätsgründen – unzweckmäßig scheint.

Auf das Suchen nach schulintern verstreuten Informationen wird also in vielen Fällen ganz verzichtet, weil es generell an Übersicht mangelt.
Selbst die hier und da in Schulen vorhandene Schulbücherei sieht in der übergreifenden Verdatung und Speicherung sämtlicher Lernmaterialien und Informationen keine notwendige Aufgabe.

Insgesamt betrachtet – ergänzt die einseitig internetbezogene Informationssuche nicht eine umfassende Recherchearbeit, sondern beschneidet sie und vergrößert im Ergebnis die Verwirrung und Hilflosigkeit der Lernenden in Bezug auf tatsächlich greifbare Lernstoffe.

Und so kann das bittere Fazit nur lauten:
Anstatt Informationen und Lernmaterialien systematisch, medial vielfältig und strukturierend für Lehrende und Lernende für den konkreten schulischen Lernzusammenhang aufzubereiten, gefallen sich die meisten Schulen und deren Finanzgeber mehr und mehr in der rein technisch orientierten Ausrüstung von Lernräumen, denen dabei zunehmend kostenpflichtige seriöse Lerninhalte in Form von Buch, Bild und Ton abhanden kommen.
Schließlich möchte man hinsichtlich der Anzahl internetfähiger Rechner – als angeblicher schulischer Qualitätsmaßstab der Schulen untereinander – nicht gern ins Hintertreffen geraten.

Also geht selbst in etatmäßig angespannten Zeiten bei Beschaffung und Ausbau der Technostruktur immer noch etwas!

Wie dies alles letztendlich mit dem Verzicht auf planvollen, datenunterstützten Aufbau einer wirklichen schulischen Informationskultur erkauft wird, die übersichtlich und erst recht inhaltsreich an greifbaren Lernmaterialien und verwertbaren Informationen sein muss, danach fragen leider immer noch zu wenige.

© 2008 Raimond Schmahl, Leverkusen (www.medien-fuer-LEV.de)

Raimond Schmahl
MedienBerater + Diplom Pädagoge
Am Stadtpark 50 (MedienBeratung Schulen LEV)
D-51373 Leverkusen
TEL 0214 – 840 5074 (AB)
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[Quelle: BildungsBlog]

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