„Im digitalen Zeitalter wollen wir bei Lehrenden ein Bewusstsein für urheberrechtliche Problemlagen schaffen – aber auch für Chancen durch offene Lizenzierung“

Open Educational Resources (4)

Das Saarländische Ministerium für Bildung und Kultur und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) haben eine Handreichung „Lizenzierung und Nutzung offener Bildungsmaterialien“ herausgegeben. Die Broschüre behandelt rechtliche Fragen, beschreibt wie OER praktisch angewendet und erklärt, wo sie im Netz gefunden werden können. Entstanden ist sie im Projekt ProfIL „Projekt für individuelle Lernbegleitung an Gymnasien“ – als Bestandteil eines Fortbildungsmoduls zu „Medienbildung und Einsatz digitaler Medien im Unterricht“. Wie es dazu kam, dass eine solche Handreichung im Rahmen eines Schulentwicklungsprojekts entsteht, darüber sprachen wir mit Alexander König, Landesfachberater für Qualitätssicherung im saarländischen Bildungsministerium.

Alexander König, Landesfachberater für Qualitätssicherung im saarländischen Bildungsministerium

Herr König, wie kommt es, dass im Rahmen eines Schulentwicklungsprojekts eine Handreichung zu OER entsteht?

Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Projekt selbst sagen: ProfIL ist ein Projekt der Schul- und Unterrichtsentwicklung an Saarländischen Gymnasien, in das Ergebnisse, Erkenntnisse und Erfahrungen aus verschiedenen Bundes- und Landesprojekten der letzten Jahre eingeflossen sind. Es läuft seit 2015/2016 und soll den individualisierenden, schüleraktivierenden Unterricht stärken, über das Anknüpfen an individuelle Begabungen und Interessen das eigenverantwortliche Lernen von Schülerinnen und Schülern fördern und ihre Leistungsfähigkeit unterstützen. Die Lehrkräfte der 26 teilnehmenden Gymnasien – das sind übrigens drei Viertel der Gymnasien im Land, ein schöner Erfolg! – beschäftigen sich also mit kooperativen Lernformen, mit Fragen der Schüleraktivierung, der Diagnostik, des Feedbacks und der Förderplanung.

Freie Bildungsmaterialien spielten also erst mal keine so große Rolle?

Das Projekt zur Schul- und Unterrichtsentwicklung im Saarland.

Im Mittelpunkt des Projekts stehen Fachbezug, Lehrerkooperation sowie Netzwerkarbeit. Umgesetzt wird dies über Tandems aus zwei Lehrenden, die von den Schulen in von überregional bekannten Experten begleitete Netzwerke entsendet werden. Wir haben insgesamt sieben Netzwerke, in denen 146 Kolleginnen und Kollegen arbeiten – unter anderem für Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik und den Fächerverbund MINT. Darüber hinaus bieten wir bedarfsorientierte Module an. Auf Wunsch der teilnehmenden Schulen wurde dann ein eigenes Erweiterungsmodul „Medienbildung und Einsatz digitaler Medien im Unterricht” eingerichtet. Derzeit sind elf Schulen aktiv an dem Modul beteiligt. Sie beschäftigen sich vor allem mit didaktischen und methodischen Themen rund um die Medienintegration im Unterricht und die Potenziale der digitalen Medien.

Sie fördern also Lehrerkooperation über Tandems an Schulen und schulübergreifende Netzwerke?

Ja, die Lehrenden kommen in Tandems in die Netzwerke und bearbeiten – in der Regel digital – gemeinsam erstellte Materialien. Auf unserer ProfIL-Plattform stellen wir ihnen deshalb bestimmte Funktionen zum Beispiel zur Dateiablage und zur kollaborativen Arbeit an Texten zur Verfügung.

Und über das Thema Kooperation sind sie dann auf den Themenkomplex Open Educational Resources gestoßen?

OER-Handreichung, die im Rahmen des ProfIL-Projekts entstanden ist.

So könnte man sagen. Aufgrund dieser besonderen Projektstruktur von ProfIL entstand die Idee, offene Bildungsmaterialien zu nutzen – mit all den sich daraus ergebenden urheberrechtlichen Herausforderungen. Die Kolleginnen und Kollegen geben sich im Tandem und in den Netzwerken gegenseitig Feedback, passen Materialien an, modifizieren sie, ergänzen und verbessern sie. Das Urheberrecht setzt hier Hürden (vgl. §23 UrhG). Eine Änderung und Bearbeitung von im Projekt erstellten Materialien sollte allerdings ermöglicht werden, ohne dass beim Autor / bei der Autorin wiederholt eine Einwilligung eingeholt werden muss. Der Vorschlag an die Kolleginnen und Kollegen, die Materialien deshalb offen unter CC BY-SA 3.0 DE zu lizenzieren, ergibt sich vor allem daraus. Ein wichtiger Effekt ist natürlich, dass diese „offenen“ Materialien in unterrichtlichen Zusammenhängen unter den Bedingungen Namensnennung und Weitergabe unter gleicher Lizenz genutzt werden.

Verändert „digitale“ Bildung Lernkultur, Lernformen und Lernprozesse in der Schule?

Über konkrete Veränderungen der Unterrichtskultur zum derzeitigen Zeitpunkt Aussagen zu machen ist schwierig, da wir im Projekt erst am Anfang der Implementierung stehen. Eine Pilotierung der ProfIL-Plattform im Unterricht ist für das kommende Schuljahr geplant, bei den schulbezogenen Unterrichtsentwicklungsvorhaben werden wir dann auf unsere Stellgrößen wie Feedbackkultur und Diagnostik ein besonderes Augenmerk legen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geht es uns bei dem Zusatzmodul „Medienbildung und Einsatz digitaler Medien im Unterricht” und der Nutzung von OER vor allem darum, ein Bewusstsein bei den Lehrenden für die urheberrechtlichen Problemlagen aber auch Chancen durch offene Lizenzierung im digitalen Zeitalter zu schaffen. Insofern betreibt ProfIL an dieser Stelle Medienbildung.

Lehrer sind Einzelkämpfer – sagt der Kollege vom Landesbildungsserver Baden-Württemberg. Wie steht es um die Kultur des Teilens in der Lehrerschaft?

Die Aussage “Lehrkräfte sind Einzelkämpfer bzw. Einzelkämpferinnen” spitzt natürlich stark zu und pauschalisiert. Aber aus der derzeitigen Anlage der Lehrerbildung oder den Prüfungsformaten liegt eine solche Aussage vielleicht sogar nahe. Allerdings ist es an dieser Stelle wichtig zu sagen, dass es an allen Schulstandorten Lehrerkooperation gibt; darauf deuten Ergebnisse der externen Evaluation bzw. der Schulinspektionen der Länder klar hin. Gleichwohl differieren die Formen, der Modus und der Grad der Intensität. In meiner Wahrnehmung ist Lehrerkooperation an Schulen oft eher informell angelegt. Materialaustausch, kollegiale Beratung und Feedback finden häufig auch „bilateral“ statt – mit den Kolleginnen und Kollegen, mit denen man sich sowieso gut versteht. ProfIL versucht hier Lehrerkooperation strukturell zu denken und anzulegen.

Für den Austausch von freien Bildungsmaterialien würde sich ja auch der Landesbildungsserver des Saarlands anbieten.

Als Verbundprojekt ist ProfIL ja unter Beteiligung von verschiedenen Referaten am Ministerium für Bildung und Kultur entstanden, darunter auch des Saarländischen Bildungsservers. Die Umsetzung erfolgt in enger Kooperation mit unserem Lehrerfortbildungsinstitut, dem Landesinstitut für Pädagogik und Medien. Natürlich ist es aus Projektperspektive und auch aus Sicht der Lehrkräfte prinzipiell wünschenswert, wenn Publikationen auf dem Bildungsserver grundsätzlich unter einer offenen Lizenz stehen würden. Ein Weg, der von einigen Bundesländern bereits beschritten wird.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Herr König!

Zur Broschüre: Lizenzierung und Nutzung offener Bildungsmaterialien. Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer (hrsg. vom Landesinstitut für Pädagogik und Medien und dem Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlands; 52 Seiten) plus doppelseitigem Einleger mit Leitfragen zu Open Educational Resources.


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver“


Auch zu empfehlen

Praktische Infos und Tipps zu OER hier:

3 Kommentare

  1. Sicher sind urheberrechtliche Probleme eine wichtige Fragestellung bei der Nutzung von digitalen Inhalten in der Schule, aber auch nur dann wenn die Lehrer schon so weit sind digitale Inhalte zu nutzen. Meine Erfahrung als Vater ist leider die, dass selbst junge Lehrer sich noch einer Nutzung von digitalen Inhalten im Unterricht entziehen. Die Frage wäre spielt da etwas die Thematik des Urheberrechts eine Rolle? Für mich ein völlig neuer Denkansatz, bin bisher immer von einem nicht wollen oder technisch nicht können ausgegangen.

    • Ich gebe dir absolut Recht! Ich selbst habe meine Abitur vor 3 Jahren erfolgreich absolviert. Leider musste ich im Unterricht immer wieder feststellen, dass die Lehrkräfte häufig gar nicht die Idee fassen, digitale Inhalte für ihren Unterricht zu nutzen. Sollten doch mal digitale Inhalte genutzt werden, standen dem häufig entweder technische Probleme, oder fehlendes Wissen bezüglich der Nutzung, im Weg. Im Rahmen der Bereitstellung linzenzfreier Bildungsinhalte sollte man auch die Möglichkeit und das KnowHow schaffen, solche Bildungsinhalte nutzen zu können. Liebe Grüße!

  2. Alexander König

    @Jannis Genau! Deshalb wird im ProfIL-Erweiterung „Medienbildung und Einsatz digitaler Medien im Unterricht“ auf die didaktischen und methodischen Potentiale eingegangen. Allerdings sollten dabei die rechtlichen Fragen eben nicht ausgeklammert werden….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert