„Wir fragen danach, ob neue Technologien das Lernen effizienter, effektiver und attraktiver machen.“

Mit Educational Technologies Lernprozesse fördern und Leistungen verbessern

FRAGEN AN (I/II) Hendrik Drachsler, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiter des Arbeitsbereichs „Educational Technologies“ am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Educational Technology, auf Deutsch Bildungstechnologie, beschäftigt sich mit der Förderung von Lernprozessen und der Verbesserung der Leistung, indem geeignete Technologien und Ressourcen hergestellt, verwendet und gesteuert werden. Hendrik Drachsler findet, dass die neuen disruptiven Techniken wie der 3D-Druck Kulturtechniken des 21. Jahrhundert sind. Deshalb sollten sie auch für alle Einkommensschichten verfügbar sein und in den schulischen Unterricht integriert werden. Der Informatiker in ihm sieht im Digitalpakt Schule vor allem die Chance, technische Infrastruktur an Schulen zu bringen – allerdings nicht ohne didaktische Fragestellungen mitzudenken.

Prof. Dr. Hendrik Drachsler, Leiter des Arbeitsbereichs Educational Technologies am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und BIldungsinformation

Herr Drachsler, was sind Educational Technologies – und was macht man damit?

Wir beschäftigen uns damit, welche neuen Technologien einen wirklichen Mehrwert für das Bildungssystem haben. Dafür messen wir sie anhand der drei Kriterien Effizienz, Effektivität und Attraktivität. Bei der Effizienzsteigerung geht es darum, Abläufe für Lehrer einfacher zu gestalten. Mithilfe eines E-Assessment-Systems kann man sich zum Beispiel einen schnelleren Überblick über Klausurenergebnisse verschaffen; in der gesparten Zeit können Lehrer und Dozentinnen sich dann mehr um ihre Schülerinnen und Schüler oder um ihre Studierenden kümmern. Ein gutes Tool ist auch das digitale Klassenbuch, weil man mit Kindern und Eltern nicht mehr über Zettel, sondern digital kommunizieren kann – das erleichtert einige Arbeits- und Kommunikationsprozesse. Bei der Steigerung der Effektivität geht es darum, über die Technologie bessere Ergebnisse zu erzielen oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Beispiel 3D-Druck: Wenn Schüler frühzeitig direkt in Kontakt mit den so genannten disruptiven Technologien kommen, erkennen sie, dass solche Anwendungen gar nicht so weit weg von ihnen sind. Mit einem 3D-Drucker können sie recht einfach in einem Browsertool etwas modellieren und ausdrucken und machen so die Erfahrung, dass sie bestimmte Projekte relativ einfach umsetzen können. Sie werden sicherer und effektiver im Umgang mit digitalen Medien.

„Neue Technologien müssen einen wirklichen Mehrwert für das Bildungssystem haben.“

Beim letzten Aspekt, der Attraktivität – der englische Ausdruck „enjoyability“ passt da eigentlich besser – geht es darum den Unterricht attraktiver und motivierender zu gestalten, indem man Virtual-Reality-Anwendungen integriert. Das geht bereits kostengünstig über jedes Handy! Während man also über den Pariser Eiffelturm spricht, können die Schülerinnen und Schüler ihn gleichzeitig über eine Smartphone-App virtuell besuchen. Wenn eine Technologie keine der drei Kriterien erfüllt, ist sie für den Einsatz in Lehr-/Lernsituationen an Hochschule und Schule nicht sinnvoll. Denn dann ist sie einfach zu teuer, und man genauso Kreide und Tafel benutzen!

Geld ist das eine, pädagogische Fragen das andere? Welchen Stellenwert hat die Didaktik beim Einsatz von Educational Technologies?

Wir beschäftigen uns schon erst mal mit der Technologie, aber dann kommt ziemlich schnell die Frage, wie sie nachhaltig eingesetzt werden kann. Das ist ein sehr wichtiger Teil von Educational-Technologies-Forschung, denn es gibt ja diese grundsätzliche Kritik, dass nicht jeder den gleichen Zugang zu Medien hat und ET den Digital Divide deshalb noch verstärken würde. Wir müssen also kritisch begleiten, wie sich diese Technologien verbreiten und auch in der Lehrerbildung eingesetzt werden.

„In anderen europäischen Ländern gibt es bereits zielgerichtete Weiterqualifizierungen für das Lehrpersonal.“

Und es gibt tolle Ideen wie den 3D-Druck-Führerschein! Mithilfe von Online- oder Face-to-Face-Weiterbildungsmodulen können interessierte Lehrerinnen und Lehrer in kurzen Trainingszyklen den Einsatz und Umgang mit 3D-Druckern lernen und praktisch einüben. Wenn sie dabei gleich noch das didaktische Design für ein, zwei Unterrichtseinheiten in der Primar- oder Sekundarstufe geliefert bekommen – perfekt!

Sie sehen also die Lehrerbildung in der Pflicht?

Unbedingt, aber das scheint ja eher eine Black Box zu sein. Soweit ich weiß, haben nur Bayern und Hamburg belastbare Daten erhoben, wer welche Lehrerfortbildung belegt. Da gibt’s also eine Riesenlücke! Lehrerinnen und Lehrer sind zwar zur Weiterbildung verpflichtet, aber welche Kurse oder Angebote sie wahrnehmen, weiß man nicht. Es gibt noch nicht einmal Angaben dazu, wie viel Geld dafür ausgegeben wird. Ich finde das sehr schwierig, denn es gibt viele engagierte Lehrer, die bereit wären, neue Technologien in den Unterricht zu integrieren, wenn sie denn die entsprechende Unterstützung erführen. Aus meiner Sicht müssen Educational Technologies dringend in die Lehrerqualifizierung integriert werden.

Sie planen zurzeit ein Projekt, das 3D-Druck an die Schulen bringen soll. Was genau haben Sie vor?

Unsere Idee ist es, im Rahmen des Digitalpakts Schule gemeinsam mit Einrichtungen der Lehrerbildung Curricula für den Umgang mit neuen Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality auszuarbeiten. Wichtig dabei ist, dass alles auch technisch einfach zu bedienen ist. Technik muss man einfach ausprobieren, man kann sie nicht nur theoretisch betrachten. Erst bei der konkreten Beschäftigung stößt man auf Herausforderungen und muss neue Wege finden sie zu meistern. Diese Erfahrungswege wollen wir herausarbeiten und in Curricula gießen, die auch für weniger technisch affine Menschen im Unterricht nachhaltig umsetzbar sind. Ideal wäre es, den Lehrerinnen und Lehrern, die an so einer Weiterbildung teilnehmen, gleich auch einen 3D-Drucker mitzugeben. So kann sich eine Community aufbauen, die sich mit dem Thema auch nachhaltig beschäftigt!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Drachsler!

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Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver

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