„Mit unseren Datenbeständen kann man eine Fülle von Forschungsfragen bearbeiten“

Forschungsdatenzentren stellen sich vor (8): Das FDZ der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

INTERVIEW mit Dana Müller, Forschungsbereichsleiterin beim Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das FDZ im IAB wurde 2004 auf Betreiben der Kommission zur Verbesserung der informationellen Infrastruktur zwischen Wissenschaft und Statistik gegründet und stellt der Forschungsgemeinschaft die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Bundesagentur für Arbeit erhobenen Daten zur Verfügung. Dabei ist das FDZ selbst aktiv in der empirischen Forschung und auch an internationalen Forschungsprojekten beteiligt; Schwerpunkte liegen dabei auf Verknüpfungsmöglichkeiten von Prozess- und Umfragedaten sowie auf inhaltlichen Analysen zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Für Dana Müller ist es vor allem die Forschung mit den eigenen Daten, die die Qualität der Arbeit des Forschungsdatenzentrums ausmacht: „Wenn man aus eigener Erfahrung weiß, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen, lassen sich die Analysepotenziale von Daten am besten optimieren.“

Frau Müller, welche Datensätze bietet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in seinem FDZ an?

Individualdaten, Haushaltsdaten und Betriebsdaten, alle mit Fokus auf Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Dazu aufbereitete administrative Daten aus der Sozialversicherung und den Prozessen der Bundesagentur für Arbeit. Die Datensätze bieten Informationen zu den Beschäftigten, zu Personen, die arbeitslos sind und entsprechende Leistungen bekommen, und zu Personen, die auf Arbeitssuche sind. Wir haben wirklich ein breites Portfolio an administrativen Daten, mit dem man im Grunde die Erwerbshistorie von Personen seit 1975 betrachten kann. Das Besondere ist, dass in den Datensätzen nicht nur Informationen über die Personen enthalten sind, sondern auch über Betriebe. Denn über die Meldungen zur Sozialversicherung geben Arbeitgeber zum Beispiel an, zu welcher Branche der Betrieb gehört. Und aus diesen Meldungen leitet das IAB Daten zur Personalstruktur der Betriebe ab. Diese Zusatzinformationen machen wir uns für unsere eigene Forschung natürlich zunutze.

„Wir haben ein breites Portfolio an administrativen Daten und sehr viele integrierte Betriebs- und Personendaten.“

Neben diesen administrativen Daten haben wir auch große und für Deutschland einmalige Befragungsdatensätze wie das IAB-Betriebspanel, eine jährliche Befragung, die seit 1993 bei ungefähr 16.000 Betrieben durchgeführt wird. Diese Daten verknüpfen wir – sofern die Zustimmung vorliegt – mit den administrativen Daten der befragten Betriebe. Unseren Linked-Employer-Employee-Datensätzen legen wir beispielsweise das IAB-Betriebspanel zugrunde und spielen dann die Individualinformationen dazu. So können die Betriebe und die Beschäftigten innerhalb eines Betriebes simultan untersucht werden.

Zu welchen Themen werden beim IAB-Betriebspanel Daten erhoben?

Standardmäßig wird nach der Personalstruktur, der Beschäftigungsentwicklung und nach Themen wie Aus- und Weiterbildung gefragt; und natürlich werden auch betriebliche Daten zu Investitionen, öffentlichen Förderungen, Personaleinstellungen und -abgängen sowie zu Löhnen und Gehältern erhoben. Zusätzlich werden für jedes Jahr für Gesellschaft und Arbeitsmarktpolitik relevante Schwerpunktthemen berücksichtigt – wie Mindestlohn, Flüchtlinge oder ältere Beschäftigte. Einige, zum Beispiel die Sicherung von Fachkräften, wiederholen sich auch, einfach weil uns das Thema schon seit Jahren begleitet. Es handelt sich also um Themen, für die in der Arbeitsmarktpolitik rechtliche Änderungen angestrebt werden und für die man sich – auch in der Politik – neu aufstellen muss.

Und welches sind die bekanntesten Datensätze?

Das IAB-Betriebspanel natürlich – es ist DER Befragungsdatensatz für Betriebe in Deutschland, dazu die eben schon erwähnten Linked-Employer-Employee-Daten (LIAB), also die Kopplung von Betriebsseite und Personenseite, und bei den administrativen Daten gehört die Stichprobe integrierter Arbeitsmarktbiographien (SIAB) dazu. Dazu kommen auf jeden Fall noch das Betriebs-Historik-Panel (BHP) und das Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Das sind die Top Five unserer meistgenutzten Datenbestände. Dann haben wir auch noch tolle Migrationsdatensätze wie die IAB-SOEP Migrationsstichprobe (IAB-SOEP-MIG).

Auf einen Blick: Das Forschungsdatenzentrum des IAB

Datenbestand

Daten zu Personen, Haushalten und Betrieben aus unterschiedlichen Quellen:

Administrative Daten wie die Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien oder das Betriebs-Historik-Panel
Befragungsdaten wie im Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“, im IAB-Betriebspanel, im Linked Personnel Panel oder in der IAB-SOEP Migrationsstichprobe
Verknüpfte Befragungs- und administrative Daten wie die Linked-Employer-Employee-Daten des IAB oder das Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ verknüpft mit administrativen Daten des IAB
Daten aus einmaligen Studien wie „Arbeiten und Lernen im Wandel“ (ALWA)

Sammelschwerpunkt

Vorgehalten werden in erster Linie Daten aus dem eigenen Haus. Sie werden aber auch verknüpft mit Datenbeständen anderer Institutionen wie NEPS-ADIAB oder BASiD.

Service

Unterschiedliche Datenzugangspunkte in Europa, den USA und Kanada. Unterstützung bei Auswahl des für die Forschungsfrage passenden Datensatzes. Keine Beratung bei der Erstellung von Auswertungssyntax.

Wer nutzt die Daten

Bachelor- und Masterstudierende, Doktoranden sowie andere Wissenschaftlerinnen für Projekte im Bereich der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Sozialversicherung

Wie viele Datensätze sind insgesamt zur Nutzung verfügbar?

Wir haben fünf Betriebsdatensätze, elf Personen- und Haushaltsdatensätze sowie drei Integrierte Betriebs- und Personendatensätze. Nicht dazu gerechnet sind die bereits verknüpften Personen- und Haushaltsdatensätze, von denen es nochmal unterschiedliche Varianten gibt. Ich finde, dass wir für den Bereich Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ziemlich viele Datensätze zur Verfügung stellen, allerdings nicht zu vergleichen mit den Datensätzen, die die Forschungsdatenzentren der Statistischen Landesämter oder des Statistischen Bundesamtes bereitstellen (lacht). Im Bereich der administrativen Statistik ist uns das Angebot der Deutschen Rentenversicherung am nächsten, weil es auch von den Datenbeständen der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit gespeist wird. Aber ansonsten sind wir einmalig!

Welche Datenbestände sind – aus Ihrer Sicht – für Bildungsforschung und Erziehungswissenschaften am interessantesten?

Wir haben zum Beispiel das Linked Personnel Panel, ein sehr spannender Datensatz für die Bildungsforschung! Auf der Basis des IAB-Betriebspanels werden ausgewählte Betriebe noch einmal extra dazu befragt, welche Personalmaßnahmen sie einsetzen und wie sie beispielsweise bei Themen wie Fachkräftesicherung oder Digitalisierung agieren. Diese Daten werden dann mit Erhebungen von Beschäftigten einiger ausgewählter, vorab befragter Betriebe verknüpft, um ein wirklich aussagekräftiges Bild von der Situation vor Ort zu erlangen. Über ein solches Monitoring – übrigens im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Thema Arbeiten 4.0 – erkennt man genau, welche Maßnahmen im Betrieb ergriffen werden und ob die Beschäftigten mitgenommen werden oder nicht.

Beim Linked Personnel Panel wird derzeit die vierte Erhebungswelle bearbeitet.

Eine Erkenntnis daraus ist zum Beispiel, dass Frauen weniger Weiterbildungen besuchen – was daran liegen könnte, dass viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Der Erkenntnisgewinn eines solchen verknüpften Datensatzes ist also sehr viel höher und meiner Ansicht nach gerade für die Bildungsforschung von besonderem Reiz. Und da schon drei Wellen vorliegen, bieten sich auch Vergleiche über größere Zeiträume an.

Gibt es noch weitere spannende Datenbestände für Bildungsforscherinnen und -forscher?

Ja, einige! Auf unserer Webseite haben wir eine fortlaufend aktualisierte Liste von Projekten, die mit unseren Datenbeständen arbeiten. Ich nenne mal ein paar: Zum Beispiel, welche Auswirkungen Bildungsabschlüsse für den Erwerbsverlauf haben, wie Arbeitnehmermitbestimmung und betriebliche Ausbildung zusammenhängen – also ob und wie Betriebsräte die Anzahl der Auszubildenden beeinflussen, oder auch die Rolle von Weiterbildung im demographischen Wandel. Und es wäre bestimmt auch sehr spannend, sich mit der „Vererbung“ von Bildung und Berufsstatus zu beschäftigen. Dazu könnten wir den Datenbestand der PASS-Erhebung anbieten, bei dem sowohl Bildung und berufliche Tätigkeit der Befragten als auch von deren Eltern abgefragt wird. Ergebnisse auf Basis des PASS flossen übrigens auch in die Evaluation des Bildungs- und Teilhabepakets der Bundesregierung mit ein. Auch das Occupational Panel ist sehr interessant. Da wurden seit 1976 die Eigenschaften von 254 Berufen aggregiert und mit zahlreichen weiteren Informationen angereichert wie Anzahl der Männer und Frauen jedes Berufs, Alter, Lohnverteilung, Bildungswege und Branche. Auf dieser Datenbasis kann man herausarbeiten, wie sich im Vergleich zu heute die geschlechtsspezifische Zusammensetzung innerhalb von Berufen oder auch die Lohnverteilung verändert hat. Ebenso spannend für Erziehungswissenschaftlerinnen sind die Erhebungsdaten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) verknüpft mit administrativen Daten des IAB.

Das sind ja wirklich viele! Bieten Sie interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Beratung an?

Auf jeden Fall! Wir beraten Nutzerinnen und Nutzer, die noch nicht wissen, welcher Datensatz für ihre Fragestellung am geeignetsten ist – und auch diejenigen, die schon einen Antrag gestellt haben, aber aus Unsicherheit mehrere Datensätze angeben. In solchen Fällen suchen wir das direkte Gespräch und empfehlen gemäß der Fragestellung konkrete Datensätze.

„Es geht darum, für jede Forschungsfrage den besten Datensatz zu finden.“

Was wir allerdings nicht bieten, ist Beratung zu den Statistikprogrammen R oder Stata. Wir setzen schlicht voraus, dass Studierende wissen, wie beispielweise eine neue Variable generiert wird. Für Bachelor- oder Masterarbeiten empfehlen wir zudem, nicht den komplexesten Datensatz zu nehmen. Bei manchen Datensätzen muss man allein mehrere Wochen in die Aufbereitung investieren, bevor man überhaupt die Forschungsfrage bearbeiten kann. Und wir wollen keine Studierenden verlieren, weil sie an der Datenaufbereitung verzweifeln!

Was plant das FDZ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für die nächsten fünf Jahre?

Wir planen ein Ticketsystem zu implementieren, denn zurzeit sind wir noch sehr „old school“ unterwegs und bearbeiten alle Anfragen per E-Mail und Telefon (lacht). Dann wollen wir verstärkt Videotutorials und Webinare zur Schulung unserer Nutzerinnen und Nutzer einsetzen, sowohl für Fortgeschrittene als auch für Einsteiger. In der Vergangenheit haben wir immer Schulungen bei uns vor Ort in Nürnberg gemacht. Aber wenn ein Drittel der Nutzer aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland kommt, wird die Anreise doch teuer und aufwändig.

„Wir wollen unsere Serviceangebote verbessern, unseren Datenbestand erweitern und das Analysepotenzial weiter ausbauen.“

Ganz wichtig ist es uns, unseren Datenbestand zu erweitern – und zwar indem wir den Zugang zu anderen europäischen Datenbeständen verbessern. Wir bieten heute bereits einen Zugriff auf französische Datenbestände an; wenn wir auch mit Forschungsdatenzentren anderer europäischer Länder kooperieren könnten, hätten wir alle ein ganz anderes Analysepotenzial. Deshalb arbeiten wir bereits mit fünf anderen Forschungsdatenzentren, darunter auch der GESIS, im Rahmen des europäischen Projekts International Data Access Network (IDAN) zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Müller!


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver


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