Schulen im Jahr 2020 – ein persönlicher Rückblick

Caroline Hartmann, beim Deutschen Bildungsserver verantwortlich für den Themenbereich Schule, reflektiert die Diskussion über eine notwendige Digitalisierung in den Schulen. Erst mit den Schulschließungen wegen der Corona-Pandemie ist deutlich geworden, wie wenig Lehrkräfte und Schulen auf Fernunterricht oder auch Unterricht mit digitalen Medien vorbereitet sind. Sie ist der Überzeigung, dass wir die Digitalisierung nur schaffen, wenn es gelingt, eine neue Lern- und Arbeitskultur in den Schulen zu etablieren.

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Lesefassung des Podcasts

„2020 war ein schreckliches Jahr – ich wollte noch nie so gerne wieder in die Schule gehen!“

„Also, das einzig Gute an den Schulschließungen war, dass ich nicht so früh aufstehen musste!“ So urteilen meine Kinder. Ich selbst muss gestehen, dass ich während der Schulschließungen wirklich an meine Grenzen gestoßen bin. 

Von einem Tag auf den anderen waren Schulen gezwungen, mit bewährten Mustern zu brechen und ganz neue Ideen zum Lehren und Lernen zu entwickeln.

Lassen wir zunächst einmal ein paar Zahlen für sich sprechen. Ich kann Ihnen hierfür insbesondere das „Deutsche Schulbarometer Spezial zur Corona-Krise“ ans Herz legen. Bei der repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT wurden Lehrkräfte während der Schulschließungen gefragt, wie sie die neuen Aufgaben bewältigten und welche Konsequenzen sie für die eigene Arbeit und die Weiter­entwicklung ihrer Schule sähen. 

28 % der Befragten nannten den Mangel an digitaler Ausstattung der Schüler als die größte Herausforderung angesichts der Schulschließungen. Gleich an zweiter Stelle der am häufigsten genannten Probleme folgte die fehlende Erfahrung der Lehrkräfte beim Erstellen digitaler Unterrichtsinhalte.

Eine große Mehrheit von 86 Prozent meinte zudem, dass sich durch die Schulschließung die Auswirkungen der sozialen Ungleichheiten noch verstärkt hätten. 

Heinz-Elmar Tenorth, ehemals Professor am Institut für Erziehungs­wissen­schaften der Humboldt-Universität, geht in seiner Analyse sogar noch weiter: Ihm zufolge habe Corona nahezu Bildungsverhältnisse der Vormoderne neu erzeugt, als Unterricht Recht und Pflicht der Eltern war, die sich den Hauslehrer oder die private Betreuung leisten konnten.

Doch ist die Digitalisierung der Schulen die Antwort auf alle Probleme? Im Interview mit dem „Deutschen Schulportal“ erklärt Prof. Dr. Dieter Spanhel, dass selbst mit einer guten Medienausstattung der Schulen, einem verstärkten Medieneinsatz und einer fundierten Medienbildung das gegenwärtige Problem unserer Schulen nicht zu lösen sei.

Bereits ein Jahr vor der Corona-Krise mahnte auch Prof. Dr. Klaus Zierer von der Universität Augsburg bei einem Vortrag beim Leibniz-Institut, dass das Potential von digitalen Medien nicht ausgeschöpft werde, wenn diese nur als Ersatz für traditionelle Medien genützt würden. Lernen mit digitalen Medien müsse vielmehr heißen, neue Formen der Interaktion, des Gesprächs und der Zusammenarbeit in Lehr-Lern-Prozesse zu integrieren.

Ich kann Prof. Spanhel und Prof. Zierer nur Recht geben. Selbstbestimmtes Lernen setzt Autonomie voraus. Diese muss den Schülerinnen und Schülern erst nähergebracht werden.

Doch es gibt Hoffnung: Immerhin gaben bei dem „Deutschen Schulbarometer Spezial“ 67% der Lehrerkräfte an, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler künftig stärker dazu befähigen würden, mehr Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen. Ob ihnen dies gelingen wird, das wird sich erst noch zeigen.

Was nehmen wir also für die Zukunft mit? Mein Sohn sieht das so: „Es macht schon Spaß, auf dem Tablett Aufgaben zu machen, aber am liebsten höre ich eigentlich meiner Lehrerin zu.“

Dies zu vereinen, das wird wohl die zukünftige Aufgabe der Schule sein. Ja, wir müssen die Digitalisierung der Schulen in jeder Hinsicht weiter vorantreiben, aber wirklich gelingen kann sie nur dann, wenn wir es schaffen, eine neue Lern- und Arbeitskultur an den Schulen zu etablieren, die über den Einsatz von digitalen Medien noch weit hinausgeht.


Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Caroline Hartmann für Deutscher Bildungsserver.


1 Kommentare

  1. Benno Köhler

    Nach wie vor steht das pädagogische Personal im Mittelpunkt des Geschehens. Um neuen Anforderungen gerecht zu werden und sich auch selbst dauerhaft weiter zu entwickeln, muss man für diesen Beruf ‚brennen‘ – aber nicht ausbrennen.
    Der Beruf, der viel zurückgibt, fordert nach wie vor eine gute Kommunikationsfähigkeit, ein gutes Empathievermögen, viel Geduld und Fachwissen zu einem Gerät, das mittels programmierbarer Rechenvorschriften Daten verarbeitet.

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