Interview mit Florian Schöll von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main
Digitale Kompetenzen, technologische Fähigkeiten und überfachliche Skills gewinnen an Bedeutung – auch im Handwerk. Im Gespräch mit Christine Schumann erklärt Florian Schöll von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, wie Future Skills Eingang in die duale Ausbildung finden. Im Interview geht es um Ausbildungsqualität, das gute Zusammenspiel von Betrieben, Berufsschulen und überbetriebliche Bildungszentren – und um das Verhältnis von Future Skills zu klassischer Grundfertigkeiten.
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(20min)
Lesefassung
Der Begriff Future Skills hat derzeit Hochkonjunktur. Seit 2012 arbeitet die EU-Kommission mit dem digitalen Kompetenzrahmen „DigComp“ daran, ein gemeinsames Verständnis für digitale Fähigkeiten zu schaffen. Mit über 250 Beispielen für Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen hilft dieser Rahmen Bürgerinnen und Bürgern, sicher und kritisch mit digitalen Technologien und KI-Systemen umzugehen. Doch Future Skills gehen weit über digitale Kompetenzen hinaus.
Der Stifterverband und McKinsey haben 2021 ein umfassendes Future Skills Framework entwickelt, das 21 Kompetenzen in vier Kategorien unterscheidet: klassische Kompetenzen, digitale Schlüsselkompetenzen, technologische und transformative Kompetenzen. Auch die Bertelsmann Stiftung betont in ihrem Projekt „Kompetenzen für die Arbeit von morgen“ die wachsende Bedeutung überfachlicher und berufsfachlicher Fähigkeiten.
Doch wie relevant sind diese Future Skills für das Handwerk? Welche Kompetenzen brauchen junge Menschen, um in handwerklichen Berufen erfolgreich zu sein – heute und in Zukunft? Darüber spreche ich heute mit Florian Schöll, Geschäftsführer für den Bereich Bildung bei der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, einer der größten Handwerkskammern Deutschlands.
Herr Schöll, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Future Skills für das Handwerk?
Florian Schöll: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn die Anforderungen unterscheiden sich stark je nach Gewerk. Im Metallbereich etwa sind Programmierung und CNC-Technik zentral, während solche digitalen Kompetenzen bei Malern und Lackierern weniger relevant sind. Dennoch nimmt die Digitalisierung insgesamt zu, und damit auch die Bedeutung neuer Fähigkeiten – gerade bei jungen Menschen, die in die Ausbildung starten.
Welche Kompetenzen sind das konkret, zum Beispiel im Bereich Elektrotechnik?
Florian Schöll: Da geht es um Computeranwendungen, Netzwerktechnik und auch Softwareentwicklung. Im Metallbereich ist CNC-Programmierung ein großes Thema. Natürlich gibt es auch Skills, die weniger relevant sind – etwa Quanten-Computing. Unsere Erfahrung zeigt: Die Anforderungen unterscheiden sich stark je nach Beruf.
„Future Skills“ beim Deutschen Bildungsserver
Und wie sieht es mit überfachlichen Kompetenzen aus, wie sie etwa die Bertelsmann Stiftung oder der Stifterverband definieren – Problemlösungsfähigkeit, klassische und transformative Kompetenzen?
Florian Schöll: Absolut wichtig! Problemlöse-Kompetenz ist im Handwerk Alltag. Unsere Leute stehen ständig vor neuen Herausforderungen – sei es auf Baustellen oder im Kundenkontakt. Transformative Kompetenzen sind ebenfalls entscheidend, etwa wenn sich Technologien verändern, wie im SHK-Bereich mit der Entwicklung von Wärmepumpen. Wichtig ist aber auch: Die klassischen Kompetenzen wie Sprachfähigkeit und Mathematik dürfen nicht vergessen werden. Sie sind nach wie vor essenziell – und hier sehen wir auch weiterhin Defizite.
Wie werden diese Fähigkeiten in der Ausbildung vermittelt – durch Berufsschulen, Betriebe oder andere Einrichtungen?
Florian Schöll: Die duale Ausbildung ist da sehr gut aufgestellt. Betriebe übernehmen den praktischen Teil, Berufsschulen den theoretischen. Zusätzlich gibt es überbetriebliche Bildungszentren, die ergänzende Kurse anbieten – besonders wichtig für kleinere Betriebe. Das System ist flexibel und passt sich den Marktanforderungen an. Wenn etwa Wärmepumpen stärker nachgefragt werden, reagieren die Betriebe und integrieren entsprechende Schulungen. Auch die Lehrpläne in den Bildungszentren werden regelmäßig überarbeitet.
„Die duale Ausbildung war schon immer ein atmendes System.“
Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben?
Florian Schöll: Die findet auf vielen Ebenen statt – durch Veranstaltungen, direkte Gespräche, über Innungen und Fachverbände sowie über die Prüfungsausschüsse, in denen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Lehrkräfte gemeinsam vertreten sind. Das sorgt für einen ständigen Austausch zwischen Wirtschaft und Bildung. Auch wenn gesetzliche Änderungen manchmal länger dauern, funktioniert das System in sich sehr gut.
Dennoch hört man von Betrieben, dass Schulabgänger oft mit Defiziten starten – gerade bei klassischen Kompetenzen. Wie sehen Sie das?
Florian Schöll: Das ist tatsächlich ein häufiges Thema. Es gibt belegbare Rückgänge bei Lesefähigkeit und sprachlichem Ausdruck, ebenso bei mathematischen Grundlagen. Berufsschulen versuchen viel, um das auszugleichen, aber sie übernehmen heute auch mehr Aufgaben als früher. Es gibt zwar Unterstützung durch Jobcenter und Arbeitsagenturen, aber diese Angebote werden leider nicht immer ausreichend genutzt. Für Betriebe hat das praktische Folgen – etwa wenn sich jemand beim Zuschneiden ständig verrechnet oder die Farbkalkulation nicht stimmt. Fehler gehören zur Ausbildung, aber sie dürfen nicht zur Regel werden.
„Es geht darum das eine zu tun, ohne das andere zu lassen“
Wird die Vermittlung digitaler Kompetenzen systematisch evaluiert?
Florian Schöll: Eine systematische Messung ist mir nicht bekannt. Rückmeldungen erhalten wir aber über die Gesellenprüfungen. Dort zeigt sich, ob junge Menschen mit neuen Technologien umgehen können. Ein Beispiel: In der Zahntechnik dürfen Prüflinge mittlerweile selbst entscheiden, ob sie ein Werkstück klassisch fertigen, fräsen oder im 3D-Druck herstellen. Das Verfahren ist frei wählbar – bewertet wird das Ergebnis. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die vermittelten Kompetenzen ziehen.
Was würden Sie sich wünschen, damit Auszubildende Future Skills noch besser erlernen können?
Florian Schöll: Ich würde das zweiteilen: Die klassischen Kompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen bleiben grundlegend – auch für gesellschaftliche Teilhabe. Bei den Future Skills wünsche ich mir eine stärkere Integration in die Rahmenlehrpläne und Ausbildungsstrukturen. Nicht jeder muss programmieren können, aber über Aufstiegsfortbildungen wie den Meisterbrief können solche Kompetenzen gezielt vermittelt werden. Die duale Ausbildung ist ein lebenslanges System. KNX-Programmierung ist etwa fest im Elektromeisterkurs verankert – und das wird weiter ausgebaut. Das System ist atmend und bietet viele Möglichkeiten, Inhalte weiterzuentwickeln – auch über Prüfungen und Zusatzqualifikationen.
Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schöll.
Florian Schöll: Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte – gerne wieder!
(Transkribiert und stark zusammengefasst mit dem AI Companion.)
Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver

