Podcast zugehOERt 109
In dieser – vom Podcast zugehOERt übernommenen – Folge erzählen Karl-Otto Kirst und Ralf Klötzke von den Anfängen der Plattform ZUM Deutsch Lernen, wie ihre (Auslands)erfahrungen als DaF- und DaZ-Lehrkräfte die Entwicklung beeinflusst haben und warum der Einsatz von OER im DaZ- und DaF-Bereich so hilfreich ist.
ZUM Deutsch Lernen ist eine Lernplattform für Lernende und Lehrende aus den Bereichen Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Als Angebot der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V. (ZUM.de) sind alle dort vorhandenen Unterrichtsinhalte kostenlos und als Open Educational Resources (OER) verfügbar. Im Podcast erzählen die Initiatoren Karl-Otto Kirst und Ralf Klötzke von den Anfängen der Plattform, wie ihre (Auslands)erfahrungen als DaF- und DaZ-Lehrkräfte die Entwicklung beeinflusst haben und warum der Einsatz von OER im DaZ- und DaF-Bereich so hilfreich ist.
Das Gespräch mit Karl-Otto Kirst und Ralf Klötzke
Karl-Otto Kirst ist Deutschlehrer im Ruhestand und hat über 15 Jahre in Chile und der Türkei Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. In Deutschland ist er seit 2015 im Bereich Deutsch als Zweitsprache tätig. Außerdem ist er aktives Mitglied der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V. und maßgeblich an der (Weiter)Entwicklung von ZUM Deutsch Lernen beteiligt.
Ralf Klötzke arbeitet als Lehrer (Deutsch, GeWi, DaZ) an einer ISS in Berlin. Er war u.a. als DaF-Lehrer in Belarus, Ungarn und Rotterdam tätig sowie sechs Jahre Experte für Unterricht am Goethe-Institut in Kroatien. Zudem ist er im Vorstand der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V.und Admin von ZUM Deutsch Lernen.
Angela Karnoll ist Contentmanagerin bei OERinfo – Informationsstelle OER.
Lesefassung
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts ZUGEHÖRT. Mein Name ist Angela Karnoll, und ich bin die Content Managerin bei OR-INFO. Und heute sprechen wir über ein Thema, was mich als Sprachwissenschaftlerin besonders interessiert. Und zwar ist das Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Zweitsprache und natürlich im Zusammenhang mit OER.
Dafür habe ich mir zwei Gäste heute eingeladen, und zwar sind das einmal Karl Kirst und Ralf Klötzke. Die beiden sind oder waren Deutschlehrer. Vielen Dank, dass ihr euch heute die Zeit genommen habt. Gerne geschehen.
Dann würde ich sagen, ihr stellt euch einfach noch mal kurz selbst vor, sagt ein paar Worte zu euch, bevor wir dann in die Materie gehen. Karl, fängst du einfach an?
Karl-Otto Kirst: Okay. Alter vor Schönheit. Es ist so, dass ich schon in Rente bin. Ich bin Deutsch- und Geschichtslehrer, habe mein zweites Staatsexamen gemacht, als es eine sogenannte Lehrerschwemme gab. Das heißt, in Deutschland hatte ich keine Chance auf eine Anstellung im staatlichen Schulwesen. Wollte aber gerne in meinem Bereich arbeiten und bin dann letztlich 15 Jahre ins Ausland gegangen. Zuerst zehn Jahre nach Chile, dann fünf Jahre, umgekehrt natürlich, fünf Jahre nach Chile und zehn Jahre in die Türkei. Nach meiner Rente bin ich immer noch aktiv im Bereich Deutsch als Zweitsprache, arbeite ehrenamtlich bei der hiesigen Flüchtlingshilfe und freiberuflich gebe ich eben auch noch Kurse in diesem Bereich.
Sehr schön. Dann Ralf?
Ralf Klötzke: Ja, das Witzige ist eigentlich, dass unsere Biografie so viele Ähnlichkeiten hat. Ich bin auch Deutsch- und Geschichtslehrer, habe 1997 das zweite Staatsexamen gemacht und bin dann zum Auslandsschulwesen gekommen. Erst war ich sechs Jahre in Belarus, Weißrussland, wir haben damals das sogenannte deutsche Sprachdiplom aufgebaut. Danach ging es bei mir gleich dann weiter. Nach einem halben Jahr war ich dann in Budapest, hab dort an einer Schule für Fremdenführung gearbeitet und dort das erste Mal auch Wikis eingesetzt. Da können wir dann auch noch ein bisschen konkreter uns dazu unterhalten, das sogenannte DSD-Wiki da gegründet, und nach den sechs Jahren habe ich kurz als Lehrerfortbildner gearbeitet in Deutschland fürs Goethe-Institut und bin dann auch für das Goethe-Institut sechs Jahre nach Zagreb gegangen – als sogenannter Experte für Unterricht. Und nach den sechs Jahren in Zagreb ging es gleich weiter: Fünf Jahre nach Rotterdam, wo meine Frau eine Anstellung beim Goethe-Institut hatte und ich dort als Lehrerfortbildner, aber auch als Lehrer am Sprachinstitut in Rotterdam, was jetzt gerade aktuell geschlossen wurde, gearbeitet habe. Und seit ungefähr zweieinhalb Jahren bin ich jetzt in Berlin, zurück in Deutschland, hab jetzt plötzlich – Lehrerschwemme vorbei – eine Anstellung an einer integrierten Sekundarschule hier in Berlin und arbeite nebenbei auch fünf Stunden am Landesinstitut für Schule und Medien, Berlin-Brandenburg.
Open Educational Resources zu DaF und DaZ
- ZUM Deutsch Lernen
- OER Worldmap
- wb-web: OER-Materialien für Deutschkurse mit Flüchtlingen
- OER Contenbuffet: Deutsch als Zweitsprache
- Mundo Schule: Deutsch als Fremdsprache
Karl-Otto Kirst: Vielleicht kann man da nochmal einhaken; wir haben uns irgendwann kennengelernt über die ZUM, die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V. Da spielte tatsächlich auch das Stichwort Wiki eine Rolle. Die ZUM ist eben sehr früh, schon Ende 2004, auf die Wiki-Technologie aufgesprungen. Damals hatte der Höhenflug der Wikipedia, die ja auch eben ein Wiki-Projekt ist, begonnen. Und das hat die Grundlage für vieles gelegt, was wir beide heute im Bereich DaF und DaZ machen. Aber dazu können wir sicherlich später noch ein bisschen mehr sagen.
Ja, ihr seid ja dann beide eigentlich richtige Weltenbummler, kann man ja sagen. Also das ist total spannend. Ich bin auch gespannt, was ihr jetzt gleich noch erzählen werdet. Vorweg würde ich gerne nochmal den Unterschied zwischen DaZ und DaF erklären, denn ich glaube, dass der Begriff oder die Begriffe manchmal noch ein bisschen durcheinander geschmissen werden. Und ich glaube, man kann die aber eigentlich relativ leicht erklären, den Unterschied.
Karl-Otto Kirst: Ich würde einfach sagen, Ralf ist der DaF-Experte, ich bin eher der DaZ-Experte. Es ist so, Deutsch als Fremdsprache, das ist das, was man eben in der Schule lernt, wenn man die Sprache eines anderen Landes lernt. Also wenn wir in der Schule alle Englisch gelernt haben in der Regel, dann war das Englisch als Fremdsprache. Wir haben das gelernt, um mal später in ein fremdes, ein anderes Land zu gehen oder gehen zu können, um dort die Sprache zu sprechen. Deutsch als Zweitsprache richtet sich an Menschen, die schon im Zielspracheland sind.
Das heißt Menschen, die zum Beispiel in Deutschland, Österreich, in der Schweiz sind, wo Deutsch gesprochen wird und die Sprache aber noch nicht beherrschen oder noch nicht gut beherrschen. Und die müssen halt einerseits die gleichen Inhalte lernen, die gleichen Sprachstrukturen lernen, aber die Bedingungen sind anders. Man stellt sich jetzt einfach vor, in der Schule, ich weiß noch, ich hatte, glaube ich, zwei Stunden Englisch in der Woche und in der Woche wusste ich nicht mehr so genau, was wir gemacht haben. Und weil es mal eine Woche ausfiel, wusste ich es gar nicht mehr. Wenn man hier in Deutschland ist, hört man jeden Tag, kann man zumindest jeden Tag Deutsch hören, sehen, lesen. Und das ist eine ganz andere Situation. Und die Bedürfnisse sind natürlich auch anders. Wer als Fremdsprachenlerner lernt, der will vielleicht mal als Tourist oder als Austauschschüler ins Ausland gehen. Jemand, der hier im Zielspracheland ist, der möchte natürlich und muss mit Ämtern und Behörden umgehen können. Der muss einkaufen können und so weiter.
Wir werden sicherlich nochmal über das, was wir, Ralf und ich, jetzt aktiv betreuen, zum Deutschlernen kommen, haben uns dann nicht umsonst so entschlossen, da wirklich ein DaZ und DaF-Projekt zu machen, weil die Inhalte natürlich letzten Endes die gleichen sind. Es geht ja darum, eine Sprache zu lernen und die sprachlichen Inhalte, ob ich das jetzt aus einem Ausländerhaus lerne oder in einem Zielspracheland lerne, sind grundsätzlich die gleichen. Es unterscheiden sich natürlich die Lernsituationen, wie gesagt, und dadurch auch die Methoden.
Ralf Klötzke: Selbst bei den Methoden, würde ich sagen, sind die meisten Methoden ja gleich. Und das ist teilweise auch umstritten, ob man diese Trennung wirklich machen sollte, DaF – DaZ, oder ob man wirklich nur diese unterschiedlichen Situationen da konzentriert. Wie ich eine Sprache lerne, ist ja grundsätzlich gleich oder ähnlich. Natürlich kann ich vielleicht zum Beispiel beim DaZ-Unterricht mehr projektorientierte Sachen machen, die ich eben vor Ort einsetze. Also ich kann mit den Lernenden halt auf den Markt gehen und dort bestimmte Aufgaben in Echtsituationen machen, was ich mit den Lernenden, die ich jetzt in Belarus hatte oder in Ungarn, nicht konnte. Aber das verschwimmt ja auch immer mehr, indem ich jetzt gerade durch digitale Medien ja eine andere Bedeutung auch für eine Fremdsprache erstellen kann. Also ich denke schon, dass da sehr, sehr viele Ähnlichkeiten existieren, und vielleicht soll die Unterscheidung einigen Lehrern helfen, bestimmte Situationen, die gerade vor Ort herrschen hier in Deutschland, bewusster einzusetzen. Aber wie gesagt, es gibt ja auch sehr große Unterschiede in der Diskussion über dieses Thema.
Gut, dann kommen wir zum Part eurer Erfahrungen im Ausland, weil ich glaube, das interessiert auch ganz, ganz viele Leute. Also mich persönlich, wie gesagt, ich finde das so interessant. Rotterdam ist in den Niederlanden ist natürlich jetzt, sage ich mal, unser unmittelbarer Nachbar. Aber ihr wart ja jetzt auch in vielen Ländern, die wirklich auch weiter weg sind und jetzt nicht unsere unmittelbaren Nachbarn in Europa sind. Und ja, da würde ich euch bitten, mal über eure Erfahrungen dort im Ausland zu sprechen. Also zum Beispiel hattet ihr, bevor ihr ins Ausland gegangen seid oder fangen wir noch früher an, als ihr euer Studium gestartet habt, hattet ihr da schon den Wunsch, irgendwann mal ins Ausland zu gehen und dort Deutsch zu unterrichten? Oder wie kam es denn dann dazu?
Ralf Klötzke: Also bei mir war es tatsächlich so, dass das durch meine Frau gekommen ist. Die war zwei, drei Jahre in Simbabwe als Entwicklungshelferin. Wir hatten uns während meines Studiums kennengelernt und dann hat sich das Prinzip so auch herauskristallisiert, also es ist eine Option, ins Ausland zu gehen. Das ist, ich glaube, es ist für mich auch gewesen, wenn man einfach mal diesen Schritt überdenkt und auch gesehen hat, dass es funktioniert, dass es dann gar nicht so schlimm war oder so. Also man hat natürlich immer seine Ängste. Und gerade in der Zeit, die ich komme aus dem Osten Deutschlands, die sehr, sehr verunsichert war, war das für mich auch eine Hilfe, dass ich gesehen habe, es ist einfach möglich, du kannst alles schaffen. Und ich habe dann mich dann auch für DaF extra noch eingeschrieben. Ich habe einen Zusatzkurs DaF in der Uni Halle gemacht und fand das auch ganz wichtig, weil es doch große Unterschiede zwischen Deutsch als Muttersprache und DaF gibt. Das wurde mir erst mal richtig bewusst, als ich dann auch in die Praxis ging und dort meine ersten Lehrerfahrungen gemacht habe mit Deutsch als Fremdsprache-Lernern.
Und ja, also ich, ich würde sagen, das war schon ja ein wichtiger Schritt, den ich vorher machen durfte, konnte und der mir geholfen hat, eigentlich auch sofort durchstarten zu können. Ich war erst zwei Jahre in Weißrussland, in einer pädagogischen Hochschule. Ich habe auch Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet auf einem relativ niedrigen Niveau. Also die meisten Lehrer hatten so das B1-Niveau. Es gab natürlich auch sehr, sehr gute, die dann das C1-Niveau erreichten. Das war im Jahr 1997. Das wird wahrscheinlich aktuell wieder ganz anders aussehen.
Und das Leben damals war auch relativ schwer. Also ich habe in der Provinz gelebt, in Baranovici. Meine Tochter wurde gerade geboren. Mein Bruder ist dann nach Baranovici mitgekommen, und sie war damals die jüngste Deutsche, die in Weißrussland lebte – das wurde uns in der Botschaft so gesagt. Das war schon erstens als Familie für uns eine starke Umstellung und eben auch von der Arbeit her. Aber ich muss sagen, also die Menschen waren ganz toll dort, sehr gastfreundlich. Wir haben uns sehr wohl gefühlt. Wir wurden da eingeladen, und das hat uns über viele Schwierigkeiten, die es damals auch in dem Land gab und die es heute ja noch verstärkt dort gibt, hinweg geholfen. Und als wir dann in die Hauptstadt gekommen sind, nach Minsk, nach zwei Jahren wurde vieles einfacher, was vom Leben her eine Rolle spielte.
Ich bin 2019 das letzte Mal da gewesen, gesehen, dass sich da ganz viel verändert hat, gar nicht vergleichbar mit dem, was ich 1999 oder 2000 in Minsk vorgefunden hatte. Und ich möchte die Erfahrung gar nicht missen, auch wenn es sehr schwer war, also gerade auch von den Lebensumständen her. Die anderen, also Budapest fand ich dann wieder vollkommen anders. Man musste sich ganz umstellen in dem, wie man auch mit Menschen umgegangen ist. Dieses kulturelle Beachten, was man dann wieder nach sechs Jahren in einer anderen Kultur hatte, das hat dann auch irgendwie beweglich gemacht. Und ja, das war eigentlich auch eine sehr, sehr schöne Zeit. Da habe ich, wie gesagt, auch als Lehrer gearbeitet. Später als Experte für Unterricht war das ein bisschen anders. Man hatte dann einen anderen Blick in Kroatien auf Dinge, die man vielleicht früher als Lehrer gemacht hat.
Negativ war eher, dass man sich auch ein bisschen so aus der Praxis entfernt hat, was mir dann auch in Rotterdam dann wieder geholfen hat, dass ich dann wieder selber unterrichten konnte. Und ganz anders ist jetzt, jetzt wieder in Berlin – und dann auch wieder mal zu rekapitulieren: Was hast du denn früher als Lehrerfortbildner denn alles für tolle Dinge vermittelt, die vielleicht in der Praxis gar nicht so gut funktionieren. Oder ja, also das hat sich auf den Boden auch wieder zurückgeholt.
Also insgesamt fand ich jetzt so rückblickend die letzten Jahre spannend und bin auch gespannt darauf, was noch kommen wird.
Da würde ich ganz gerne kurz anschließen. Wie sehr war Deutsch oder ist Deutsch dort angesehen oder wie viele Schüler gab es da? Oder wie hoch war denn der Bedarf an Deutsch? Fragen wir mal so. Wie sah die Situation dort aus?
Ralf Klötzke: Das liegt jetzt natürlich ein paar Jahre schon noch zurück. 97 in Weißrussland. Wir waren damals zwei DSD-Schulen. Das sind jetzt, glaube ich, auch mehr. Also ich kann nur als rückblickend aus dieser Zeit berichten. Interessant war für mich, dass das noch in vielen Dörfern, also meine Studierenden, die ich da unterrichtet habe, die sind vor allem in die Dörfer gegangen, eben noch Deutsch unterrichtet wurde. Das wird aber wahrscheinlich heute ganz anders sein. Das wird doch, also da kann ich überhaupt keine Aussagen zu treffen.
In Budapest war es spannend. Das waren ja, es war eine Fremdenführerklasse, die ich vor allem unterrichtet habe, aber eben auch viele aus der Gastronomie. Es war wie eine Berufsschule mit Abitur. Und die brauchten teilweise Deutsch wirklich dann auch für ihre Arbeit. Also die haben dann als Fremdenführer zum Beispiel auf Deutsch gearbeitet, hatten auch so Fächer wie Fremdenführung auf Deutsch oder Civilisatio, so eine Art Landeskundefach. Und das hebte natürlich diese Schule auch aus anderen Schulen des Landes heraus. Man muss natürlich auch sagen, in Ungarn gibt es auch neben solchen Schulen ganz viele Schulen der sogenannten deutschen Minderheit, die auch ein sehr hohes Sprachniveau haben. Also ich fand schon, dass Deutsch damals, das war ungefähr bis 2010, ein sehr hohes Ansehen hatte. Und später in Kroatien kann ich auch nur wieder positive Dinge nennen, weil in Kroatien auch die deutsche Sprache einen guten Stand hatte, aber damals eben auch in Rückgang zu verzeichnen war. Und wir versucht haben, durch Initiativen gemeinsam zu Goethe-Institut ZfA das aufzuhalten und Deutsch mehr in den Fokus zu holen.
Ja, und Rotterdam war wieder ganz anders. Also das, was man da im Goethe-Institut hatte, was auch auf einem sehr hohen Niveau sich abgespielt hat, zwar hat von A1 bis C1 verschiedene Kurse unterrichtet. Aber das war auch total spannend, mal von Erwachsenen auch zu fragen, wie wichtig Deutsch für sie ist, und wie interessiert sie auch waren an Deutsch als Fremdsprache. Wir hatten also dann dort Lernende, die zwar von ihren Firmen geschickt worden sind, die also Deutsch für Business und für ihren Beruf brauchten, aber wir hatten auch Lernende, die das einfach nur aus Lust und Freude gemacht haben.
Das ist auch schön, dass es auch solche Menschen gibt.
Ralf Klötzke: Das ist das Schönste, was man eben auch so als Lehrer erleben kann. Und dadurch sind eben auch so viele Dinge entstanden, wo ich auch jetzt rückblickend sagen kann, ich habe eben unwahrscheinlich viel profitiert und viel gelernt. Und insbesondere eben auch in meinen letzten Einsätzen in Rotterdam, mit so vielen klugen Leuten habe ich schon lange nicht sprechen können.
Das ist schön. Das ist sehr schön zu hören. Würdest du sagen, dass es den Niederländern einfacher gefallen ist, einfach durch die Nähe, also Deutsch zu lernen?
Ja, natürlich durch die Sprachähnlichkeiten. Aber das ist so wie im Deutschen, nämlich auch wenn man zum Beispiel Englisch lernt, bis zu einem gewissen Niveau läuft das relativ gut. Und dann, ja, so ab B1 wird das dann schon schwieriger. Du warst ja wahrscheinlich auch schon in den Niederlanden oder hast niederländisch gehört. Ja, was eben so faszinierend ist, dass man meint, man versteht genau und dann merkt, wir haben ja die ganze Zeit ja uns aneinander vorbeigeredet.
Sehr schön. Ja, dann machen wir mal einen Sprung über den großen Teich, würde ich sagen, und springen mal nach Chile. Und dann würde ich Karl bitten, einfach mal über seine Erfahrungen in Chile zu sprechen, weil ich glaube, das ist auch noch mal wieder was ganz anderes, als wenn wir uns in Europa bewegen.
Karl-Otto Kirst: No tanto, also nicht ganz so viel. Es ist so, ich muss einen kleinen Bogen machen. Ich bin nicht gleich auf Deutsch als Fremdsprache zugesteuert, sondern ich habe Mathematik und Geschichte am Anfang studiert. Irgendwann hatte ich das Gefühl, nee, Karl, du bist zu verkopft. Mathematik ist sehr viel Theorie. Ich habe noch die Zwischenprüfung gemacht und dann habe ich aber gewechselt zu Deutsch und bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Mit Mathe hätte ich zwar wahrscheinlich damals noch einen Job an einer staatlichen Schule bekommen, mit Deutsch nicht mehr. Aber ich hätte die ganzen Erfahrungen, die ich machen konnte, nicht machen können. Ja, hat es irgendwas gegeben, was mich daraufhin ausgerichtet hat, ins Ausland zu gehen? Ich habe einen Cousin, eine Generation älter als ich. Als ich praktisch geboren wurde, ist er schon ins Ausland gegangen, damals in den 50er Jahren, nach Neuseeland. Und den habe ich erst im Erwachsenenalter selbst mal kennengelernt. Aber der war immer irgendwie präsent.
Das heißt, es gab jemanden so in der großen, weiten Welt. Außerdem hatte ich eine Tante in Angeln. Ich komme aus Schleswig-Holstein, Angeln ist ein Landesteil an der dänischen Grenze, mit einem Mann verheiratet war, der sich der dänischen Minderheit zugehörig fühlte. Und dort wurde fließend Hochdeutsch, Plattdeutsch und Dänisch gesprochen, immer so im freien Wechsel. Das war für mich auch so eine Erfahrung. Man kann die Sprache wechseln.
Mein Vater war zwar nicht zweisprachig, der sprach nur Deutsch. Allerdings sagte er immer Plattdeutsch, Hochdeutsch und durch die Nase. Aber dieses Plattdeutsch und Hochdeutsch waren situativ bedingt, im Sekundenbruchteil wechselte man je nach Gesprächsverlauf von einer Sprachvariante in die andere. Das ist mir später erst im Studium, da habe ich mal darüber eine Arbeit geschrieben, über die Diglossie, funktionale Zweisprachigkeit, ist mir das erst aufgefallen. Und dann, ja, privat war ich mal verliebt in eine junge Frau aus Island, die war mit ihren Eltern in Deutschland. Und ich kann mich noch entsinnen, als wir das erste Mal so privat, irgendwie da waren wir mit Freunden unterwegs, miteinander reden wollten.
Ich habe versucht, auf Englisch zu reden. Ich konnte im Prinzip kein Englisch sprechen. Ich hatte nur Grammatik-Übersetzungsunterricht gehabt. Ich konnte aber nicht sprechen. Das Sprechen im Englischen habe ich im Ausland kennengelernt. Ich bin dann ein Jahr später, da waren wir zwar nicht mehr zusammen, aber ich bin in Island gewesen in den ersten Semesterferien des Studiums. Und da ich nicht so gut bei Kasse war und einfach, weil ich auch Lust hatte, was auszuprobieren, habe ich dann da zwei Wochen gearbeitet in einer kleinen Firma. Und die sprachen alle nur Isländisch. Und das hat zu dem einen oder anderen kleinen Missverständnis auch beigetragen.
Aber ich habe gesehen, du kannst im Ausland dich zurechtfinden. Und das hat sicherlich so ein bisschen mich geprägt dahin, dass ich gesagt habe, ja, ich mache auch einen Schritt jetzt mal in ein ganz anderes Land. Dann habe ich allerdings, Chile war damals geprägt in den siebziger Jahren durch die Militärdiktatur von Pinochet. Es gab Exil-Chilenen und ich habe irgendwie den Schwung gefunden zu einer Volkstanzgruppe mit Ost- und mit chilenischen Tänzern. Diese chilenischen Tänzer haben wir dann auch im Kontext von Chile Solidaritätsveranstaltungen aufgeführt und so weiter. Und darüber war mir das Land als solches schon so ein bisschen vertraut. Und auch wenn natürlich die Kultur irgendwie eine andere ist, aber letzten Endes ist die chilenische Kultur weitestgehend durch die europäischen Einwanderer, sprich vor allem Spanier. Aber im Süden steht es auch stark durch deutsche Einwanderer geprägt. Ich könnte jetzt viel erzählen, ich muss mich ein bisschen kürzer fassen.
Ich bin dort gewesen am Anfang in einer kleinen Schule der deutschstämmigen Einwanderer, die war 100 Jahre alt etwa. Der erste Lehrer war genau wie die Einwanderer per Stift dort hingekommen. Inzwischen hatte sich aber die Situation der deutschen Minderheit in Chile verändert. Natürlich haben da auch deutschsprachige und spanischsprachige Menschen geheiratet. Und sobald also ein Partner, eine Partnerin spanischsprachig war, war die Familiensprache eigentlich eher spanisch. Und die Einheimischen, die Deutsch als Muttersprache sprachen, wurden weniger. Deshalb gab es so ein Programm, über das ich eben dort hingekommen bin und andere Lehrkräfte.
Ja, also du warst ja dann in Chile und bist dann aber in die Türkei gegangen.
Ja, es war so, nach fünf Jahren in Chile bin ich, es war klar, maximal hätte ich sechs Jahre dortbleiben können. Ich war ja dort zwar Angestellter der privaten Schule, bekam aber noch eine Förderung aus Deutschland dazu. Diese Förderung konnte maximal sechs Jahre dauern. Bin nach Deutschland zurückgegangen, habe dort mich beworben. Aber mit Deutsch und Geschichte war nach wie vor nichts zu holen. Und ich habe eine Umschulung begonnen zum IT-, damals EDV-Lehrer, und ich hätte also am Ende vielleicht Leute in der Handhabung des Computers und von Software unterrichten können. Das hat mir viel gebracht in meiner weiteren Arbeit. Dann habe ich mich aber auch wieder fürs Ausland beworben, hatte dann die Möglichkeit, entweder nach Rumänien oder in die Türkei zu gehen. Rumänien lachte mich an, weil man ja auch so ein bisschen das Romanische im Namen schon hat und in der Sprache. Und da gibt es eine deutschsprachige Minderheit. Das fand ich in ihm auch interessant. Aber dann habe ich gedacht, nein, wenn du jetzt noch mal ins Ausland gehst, dann mach was ganz anderes. Und einfach, ja, Deutsch und Spanisch sind eigentlich soweit dann wieder auseinander auch nicht. Aber Türkisch hat eine ganz andere Struktur. Und ich habe gedacht, komm, wenn, dann mach das. Und das fand ich auch schön.
Interessanterweise gibt das zwischen den beiden Ländern durchaus Ähnlichkeiten. Die Situation des Lehrers, zumindest damals, war ähnlich. Also mit eigentlich großem Respekt für die Lehrkraft. Ich wurde bei Elternsprechtagen oft nicht nach der Note, sondern nach dem Verhalten des Kindes in meinem Unterricht gefragt. Und beide Länder durchaus eher patriarchalisch strukturiert. Auch das vielleicht noch eine Ähnlichkeit.
Die Kinder in der Türkei haben damals nach fünf Jahren Grundschule die Möglichkeit gehabt, in eine weiterführende Schule zu gehen, unter anderem in ein sogenanntes Anadolo-Lycee, also ein anatolisches Gymnasium mit verstärktem Fremdsprachenanteil. Das war meistens Englisch, aber es war eben auch viel Deutsch. Und Deutsch war natürlich die Option für rückkehrende Kinder aus Deutschland. Und die gab es damals in den 80er-Jahren zahlreich. Und deswegen gab es eben auch ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über die Entsendung von bis zu 80 deutschen Lehrkräften an verschiedenen Schulen in der Türkei. Und an so einer Schule war ich.
Ich erinnere mich, in der ersten Woche hatte ich Aufsicht auf der Schule. Auf dem Schulhof kamen drei Schülerinnen auf mich zu. Wir sprachen miteinander. Irgendwann nach 14 habe ich gedacht, Mensch, du sprichst die ganze Zeit fließend mit denen Deutsch. Ich habe gesagt, wie lange habt ihr schon Deutsch? Ein Jahr.
Wow.
Karl-Otto Kirst: In diesem Schultyp war es so, dass es zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule ein sogenanntes Vorbereitungsjahr gab, in dem von 35 Wochenstunden 24 in der Fremdsprache hier, also in Deutsch, waren. Das heißt, die hatten im Prinzip jeden Tag fünf Stunden Deutsch. Und das bedeutete natürlich, dass da ein rasanter Fortschritt war.
Und vielleicht nur noch ein Highlight für mich. Es ist so, ich habe dann auch mit den Lehrwerken, die es gab, gearbeitet. Da stand dann irgendwann in weiterführenden Klassen auch drin, man sollte doch auch mal ein Gedicht machen von Goethe. Da habe ich gedacht, ein Gedicht von Goethe, na ja. Aber gut, probiere es mal. Und das lief wunderbar. Erstens hatten die Schülerinnen und Schüler in ihrem muttersprachlichen Unterricht, also im türkischen Unterricht, Ähnliches kennengelernt. Und die hatten einfach ein Gefühl dafür und die konnten auch inzwischen so viel Deutsch, dass sie das alles verstehen konnten. Und das ist schon toll.
Und auch mit Musik. Also Musik ist auch etwas, was natürlich einmal Emotionen rüberbringt, aber eben auch spielerisch quasi sprachlichen Klang und sprachliches Verständnis transportiert.
Das stimmt. Also ich bin ja, wie gesagt, selbst, ich habe ja auch Chinesisch und Koreanisch studiert. Und Musik ist für mich da auch so ein ganz wichtiger Teil, einfach die Sprache auch zu lernen oder eben auch Videos oder Filme in der Sprache sich anzuschauen. Das kann ich aus persönlicher oder eigener Erfahrung total unterstreichen und finde es total schön, dass das, dass das da auch so gut angekommen ist.
Gut, ja, wir sind ja hier bei OER Info, das heißt, das Thema OER ist natürlich für uns auch total wichtig und spannend. Und wahrscheinlich, bitte korrigiert mich, wenn das, wenn das falsch ist, aber wahrscheinlich war OER zu der Zeit noch nicht so ein Thema, wo ihr jetzt im Ausland wart. Würdet ihr jetzt rückblickend sagen, ihr hättet euch OER damals schon gewünscht? Hättet ihr oder würdet ihr sagen, das hätte euren Unterricht oder eure Lehrerfortbildung das unterstützt? Wie würdet ihr das einschätzen?.
Karl-Otto Kirst: Da fange ich jetzt vielleicht nochmal an, weil ich eben im Ausland war, als es das Internet noch nicht gab. Es gab zwar theoretisch damals schon die deutsche Welle über Langwelle. Ich konnte sie aber in Chile nicht empfangen. Mit anderen Worten, ich hatte weder Radio noch Fernsehen, noch irgendeine Tageszeitung auf Deutsch. Ich konnte natürlich nach Santiago 500 Kilometer entfernt fahren und mir dort Presseerzeugnisse mit etwas zeitlicher Verzögerung kaufen. Aber das kam selten vor. Ich hatte also nichts Muttersprachliches, um zum Beispiel auch mal auf aktuelle Themen einzugehen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass ich damalsirgendwelche Dinge gehabt hätte. Das Goethe-Institut hatte zum Glück auch damals viele Materialien. Es gab Internationis, das war zunächst unabhängig vom Goethe-Institut, aber ist irgendwann übernommen worden. Also eine Institution, die sehr gute Materialien, für den Deutschunterricht zur Verfügung gestellt hat. Von Bildmaterial über landeskundliche Materialien, über audiovisuelle Medien war schon toll. Die standen uns zur Verfügung, die durfte ich auch kopieren und so weit war das in Ordnung.
Aber ich gehe vielleicht jetzt einfach mal auf den Sprung in die Türkei. Auch da war so eine ähnliche Situation. Damals gab es dann auch schon das Internet. Dann habe ich natürlich auch zum Beispiel irgendwann diese Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet gefunden, habe mir dort Materialien, die erstellt wurden für muttersprachliche Schülerinnen und Schüler angeschaut und teilweise auch genutzt. Natürlich kann man viel adaptieren, aber ich durfte natürlich nicht einfach wild kopieren. Das ging nicht. Ich hatte Probleme auf einer anderen Ebene. Zu dem Lehrwerk, was wir damals haben, habe ich dann einen ergänzenden Band mit Übungen erstellt, weil einfach das Material an Übungen begrenzt war. Wir hatten ja viele Stunden und da konnte man immer mehr Übungen brauchen. Das habe ich dann auch Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt. Soweit auch okay. Ich hätte das aber nie publizieren dürfen, weil darin Abbildungen aus dem Lehrwerk enthalten.
Und dann habe ich überlegt, ja, wie kriegst du denn das hin? Ich habe teilweise Schülerinnen und Schülern gut zeichnen konnten, gefragt, kannst du nicht mal so eine Situation zeichnen? Das konnte ich für den eigenen Unterricht verwenden. Aber urheberrechtlich war das natürlich nicht okay, dass ich das hätte publizieren können. Da hätte ich die Eltern fragen müssen und so weiter. Das war so ein Problem.
Viel stärker ist mir das dann hier bewusst geworden, als 2015 dieser große Zustrom von Geflüchteten nach Deutschland war und natürlich der Bedarf an Deutsch-Materialien enorm war. Es gab eine große Hilfsbereitschaft. Es gab Unmengen von Leuten, die sagten, ja, ich unterrichte auch. Leute, die nicht unbedingt als Lehrkräfte waren, aber die einfach als Hausfrau, als Berufstätiger gesagt haben, ich möchte was machen. Und die brauchten Materialien. Erstens gab es auch für den Schulbuchverlagen zu dem Zeitpunkt noch nichts, weil sie noch nicht auf diese neue Situation eingestellt waren. Das hat sich massiv verändert zum Positiven. Aber was es gab, konnte man natürlich vielleicht in seinem Unterricht kopieren. Aber da war schon mal schnell so eine Grauzone. Und da habe ich gelernt, es ist enorm ungünstig, dass es eben nicht ausreichend freies Material gibt.
Ralf Klötzke:Ich hatte zwar Internet relativ langsam, aber da war kaum was zu finden. Und an meiner pädagogischen Hochschule, da gab es kaum Bücher oder Lehrbücher. Die waren total veraltet aus einheimischer Produktion. Und aktuelles Material, was man so gerade für einen Landeskundeunterricht brauchte, habe ich tatsächlich dann auch über die Botschaft bekommen, die mir ab und zu Dinge zugeschickt hat, die aber auch schon drei, vier Wochen alt waren – was auch nicht schlimm war. Und ich habe daraus aus diesen Artikeln dann eine Landeskundeeinheit oder mit der aktuellen Diskussion zusammengestellt. Interessant war nur, das ist vielleicht so ein Gag nebenbei, dass es da auch politische Probleme mit dem KGB gab. Der ist aufmerksam geworden, dass halt Unterricht gemacht wird und ich dafür kopiere. Und meine Kollegen wurden angewiesen, alles, was ich kopiere, zu kontrollieren. Das haben wir eine Woche lang gemacht bis dann ein Kollege gesagt hat, Ralf, das schaffen wir eh nicht. Und hat das dann so laufen lassen. So eine witzige Geschichte nebenbei.
Auf der anderen Seite ist es natürlich, wenn man heute die Entwicklung von Belarus sieht, wie das, wo das hingegangen ist, wirklich eine ernste Sache geworden ist. Damals habe ich das auch nicht so ernst genommen. Die waren halt da und haben sich interessiert. Und Kollegen teilweise haben mir dann auch mal erzählt, ja, wir mussten heute wieder über dich Auskunft geben und so weiter und so fort. Das war wahrscheinlich auch ein bisschen überraschend für sie, dass ein Lehrer halt in die Provinz geschickt worden ist, wo ich unterrichtet habe.
2015 war, glaube ich, eine ganz wichtige Sache, wo sich im Prinzip auch diese Wiki-Dynamik oder die Wiki-Technik als etwas gezeigt hat, dass sie wirklich eine tolle Sache ist. Wiki kommt aus dem Hawaiianischen, heißt ja schnell, schnell – also Wiki, Wiki. Und beschreibt ja eigentlich, was man damit machen kann. Man kann also innerhalb kürzester Zeit Inhalte schnell einstellen, miteinander verknüpfen, mit anderen Leuten zusammenarbeiten. Und das konnten wir 2015 machen.
Ich war damals Experte für Unterricht in Kroatien, habe teilweise live miterlebt, diese Veränderungen, die in Europa vor sich gegangen sind. Ich war in Izmir, habe dort die Flüchtenden gesehen. Ich war in Athen, in Belgrad in der Zeit. Das gehörte alles zu unserer Region damals. Und irgendwie kamen Karl und ich zusammen und gesagt, wir müssen jetzt irgendwas machen. Es gab auch schon die ersten Initiativen in Deutschland. Wie stellen wir jetzt das, was wir eigentlich ja schon haben, so schnell wie möglich den Lehrenden, die ja teilweise auch gar keine Ausbildung hatten, die da einfach als Eigeninitiative was tun wollten? Vielleicht unsere Inhalte, die wir schon gesammelt haben, aber noch nicht irgendwie sichtbar sind. Das ist ja auch mal ein großes Problem im Internet. Es gibt so viel, aber man findet es einfach nicht.
Und da kamen wir halt dann auf die Idee, nicht nur eine Seite oder mehrere Seiten in den bestehenden Wikis, die wir schon hatten damals zu erstellen oder zu generieren, sondern ein ganz neues Wiki aufzustellen. Und das war dann eine Initiative, wo wir uns auch vorher Gedanken gemacht haben, wie können wir, welche Struktur wollen wir da einführen? Ich hatte dann vorgeschlagen, dass wir uns auf die schon bestimmten Lehrpläne für neu zugewanderte Berufe, da gab es einen Rahmenlehrplan Deutsch als Fremdsprache vom Auslandsschulwesen. Es gab das vom BAMF für Integrationskurse. Und die waren eigentlich auch schon in der Methodik her auf Kompetenzen ausgerichtet, auf was ein Lernender können sollte, also auch mit sogenannten Kann-Beschreibungen. Und beschrieben wurde das als sogenannte Handlungsfelder. Und da haben wir dann im Prinzip aus diesen Handlungsfeldern eine Struktur für ein Linksystem oder für ein Materialsystem erarbeitet, wo man dann auf Grundlage dieser Handlungsfelder dann sofort zugreifen konnte. Also der soll jetzt zum Beispiel im Restaurant das und das machen können oder der soll auf einer Behörde das und das machen können. Und ich glaube, das war ein sehr guter Weg, mal Materialien anders zu präsentieren. Einmal entsprach das eigentlich auch dem modernen Fremdsprachenunterricht, also kompetenzorientiert, sich Dinge zu planen. Also, wenn ich weiß, dass der Lernende das und das können muss, was muss ich vorher tun? Welche Inhalte brauche ich dafür? Welche Methoden brauche ich dafür? Und dass wir im Prinzip dadurch auch eine neue Qualität von einer Art Linksystem von DaZ damals da entwickelt hatten, was auch, glaube ich, sehr gut angekommen ist.
Karl-Otto Kirst: Um gleich da kurz einzuspringen. Also 2015 haben wir eben das zum Willkommen gemacht. Damals waren die Zielsetzungen natürlich für Lernende, damit die Materialien finden könnten, aber vor allem für Lehrende und wie ja schon beschrieben eher oder zumindest auch Laien und Sprachniveau A1, A2, also Anfangsniveau. Und dann haben wir Ende 2021 gesagt, und richtig durchgestartet ist das dann Anfang 2022, haben wir daraus als Weiterentwicklung das aktuelle ZUM Deutschlernen gemacht. Wir haben dann also die Inhalte aus zum Willkommen übernommen, aus dem 2008 schon entstandenen DaF, also Deutsch als Fremdsprache-Wiki, haben wir übernommen, dabei natürlich gesichtet und selektiert. Das heißt also, die guten Inhalte übernommen, die anderen entweder überarbeitet oder weggelassen. Und das aktuelle zum Deutschlernen greift das, was Ralf gerade eben strukturiert oder genannt hat als Struktur, greift das noch viel, viel stärker auf und umfasst inzwischen eben alle Sprachniveaus von A1 bis C2 und eben richtet sich explizit an DaF und DaZ-Lehrende und -Lernende zum Willkommen. Das war eben Deutsch als Zweitsprache und mittlerweile haben wir eben auch aus den am Anfang skizzierten Überlegungen, die Ralf ja ganz klar unterstrichen hat, oft ist das gar kein so großer Unterschied. Das sind kleine Unterschiede, sodass man das an einem Ort ruhig festhalten kann. Diejenigen, die daran interessiert sind, wissen, was sie benötigen und können gegebenenfalls das, was sie brauchen, herausgreifen und das andere einfach dann ignorieren.
Und das ist, glaube ich, ein Schritt, da sind Ralf und ich uns, glaube ich, einig, der ein wichtiger Schritt nach vorne gewesen ist, weil wir einfach jetzt eine viel breitere, eine sehr gut strukturierte Plattform haben. Wir haben Anfang 2022 eine Förderung von der Hamburg Open Online University eines OER-Camps in Hamburg erhalten. Zehntausend Euro für große Projekte, wahrscheinlich Peanuts. Für uns war eine noch nie dagewesene Summe.
Besser als nichts.
Karl-Otto Kirst: Ja, das war fantastisch. Wir haben also damit die Erstellung von insgesamt elf interaktiven Videos finanzieren können. Wir haben das Logo entwerfen lassen. Wir haben viele Grafiken, also Symbol-Grafiken erstellen lassen und so weiter und so weiter. Wir haben einen Teil unserer Arbeit, die wir dann eben reinstecken können, auch mitfinanzieren können. Das war ein enormer Schritt nach vorne, der sich bis heute bemerkbar macht.
Und ja, mit kleinen Summen kann man also ein ehrenamtlich laufendes OER-Projekt enorm fördern. Unser Problem dabei ist natürlich, wenn wir nicht so das große Glück haben wie damals, dann kommen wir eigentlich nicht an diese Fördertöpfe ran. Wir haben nicht die Manpower, um Förderungsanträge zu bestellen und das nachher auch noch alles zu verwalten. Insofern wächst unser Projekt langsam. Aber offensichtlich ist es ein Projekt, was auf Bedarf stößt, denn die Zugriffszahlen gehen, glaube ich, auch langsam, aber doch deutlich nach oben.
Ich sage an der Stelle einfach mal auch Danke für eure Arbeit, dass ihr das so vorantreibt und eben auch ehrenamtlich macht. Ich glaube, an dieser Stelle ist ein Dank auch angebracht.
Karl-Otto Kirst: Danke. Vielleicht gebe ich den Dank auch noch mal weiter, Ralf wird mir sicherlich zustimmen, an die ZUM weiter, die Zentrale für Unterrichtsmedien. Das ist eben ein Verein gegründet und nach wie vor vorwiegend getragen von Lehrkräften, also Lehrerinnen und Lehrern, die meistens aktiv im Unterricht in der Schule sind und deswegen natürlich auch nur begrenzte Zeit haben, die das ehrenamtlich neben ihrer Arbeit machen. Aber es läuft, es läuft gut. Und das ZUM Deutsch lernen ist eben ein Teil dieses Angebots der ZUM. Und die ZUM ist schon Ende 2007 auf die damalige Kapstadt Erklärung zu Open Educational Resources gestoßen. Und wir haben uns dann mit dem damaligen Zugpferd, dem ZUM-Wiki auch entschlossen, die OER-Bedingungen bei uns einzusetzen. Es gab am Anfang eine Diskussion, eine typische Diskussion, ob es denn eine NC, Non-Commercial Use, sein sollte oder nicht. Das ist auch bis heute immer noch so eine Frage. So Lehrerinnen und Lehrern stellen ja ständig irgendwelche Materialien für den Unterricht, für eine Klausur, für eine Übung. Und untereinander wird das getauscht. Das wurde früher als Arbeitsblatt getauscht. Heute wird das als Datei getauscht. Ist ja auch innerhalb der Schule kein Problem.
Das Problem ist dann immer, wenn es veröffentlicht werden sollte. Also heute natürlich im Internet. Und dann haben viele einfach auch Angst und sagen, ja, ich habe da jetzt viel Schweiß und Tränen reingeschmissen. Und jetzt soll vielleicht ein Schulbuchverlag einfach das Material veröffentlicht. Das geht doch nicht. Und da kommt dann dieser Gedanke NC, also non-commercial use, das darf nicht kommerziell ausgewertet werden. Wir haben uns zum Glück nach langer interner Diskussion entschieden zu sagen „Nein, weg damit.“ Und zwar deswegen, weil wir gesagt haben, OK, wenn wir die Standardlizenz, die es jetzt auch zum DE in der Regel gibt, die sind CC by SE. Das heißt, man muss den Autor, den Urheber nennen und man muss dieselbe, also SA – „same as“, dieselbe Lizenz verwenden. Dann ist das genug, wenn dann ein Schulbuchverlag sagt, oh, die haben eine tolle Seite, die nehmen wir, die veröffentlichen wir. Dann ist das ja unter derselben Lizenz. Das heißt, wir können auch sagen, oh, die haben was Tolles draus gemacht. Und das veröffentlichen wir auch wieder.
Und wir sind jetzt zum Deutschlernen noch einen Schritt weitergegangen. Wir haben gesagt, im internationalen Bereich, man stelle sich irgendwie eine kleine Schule in Südamerika oder eben auch in Osteuropa oder wo auch immer vor, die sagen, oh, die haben doch tolles Material genommen. Wenn man dann diesen ganzen Apparat an erforderlichen Angaben und sei es nur zum Deutschlernen, Lizenz sowieso, sowieso angibt, das ist sehr aufwendig. Wir haben uns entschlossen, für zum Deutschlernen zu sagen CC by – das heißt, du musst nur sagen, das ist aus zum Deutschlernen und damit ist es OK und dann kannst du damit machen, was du willst. Denn das entspricht der Sprachrealität oder der Unterrichtsrealität und es vereinfacht vieles.
Wir haben ein kleines Problem dabei. Wir nutzen sehr viele interaktive Übungen, die erstellt werden mit H5P auf ZUM-Apps veröffentlicht. Und da haben wir CC by SE als Lizenz vorgegeben. Und deswegen sind sie natürlich auch im zum Deutschlernen unter CC by SE nicht so frei, wie wir es uns wünschen. Aber wir sind da. Wir versuchen das auch noch zu ändern.
Also es passt ja trotzdem immer noch zu dem OER-Gedanken. Wenn man die strenge Definition nimmt, ist es CC by SE zählt das ja immer noch zur OER. Deswegen alles gut.
Du hast gerade ja schon so ein bisschen auch die negativen Aspekte im Stichwort Ängste mancher Person in Bezug auf OER genannt. Ich meine, das sind ja so die negativen Aspekte, die man oft im Zusammenhang von OER hört. Aber ich würde euch beide gerne noch mal bitten, vielleicht ganz kurz zu sagen, worin seht ihr denn die Vorteile explizit in Bezug auf DaZ oder DaF in der Verwendung von OER? Warum empfehlt ihr OER einzusetzen?
Karl-Otto Kirst: Der ganz große Vorteil ist aus meiner Sicht die Austauschbarkeit und die Wiederverwendbarkeit. Also diese zwei Begriffe. Das gibt ja so mehrere Vorteile. Austauschbarkeit. Ich kann es einfach weitergeben. Andere können sagen, hier das darfst du auch auf deiner Webseite veröffentlichen. Das darfst du im Unterricht einsetzen, darfst es gerne in eine eigene Publikation einbinden. Und die Weiterverwendbarkeit, wieder publizieren ist ja schon weiterverwenden. Aber du kannst auch sagen, ja, ist ja gut, aber ich möchte das gerne noch mal überarbeiten. Ich mixe das mit anderen Materialien, erstelle was Neues daraus. Das ist möglich. Und ich denke, das ist, da wird Ralf mir sicherlich zustimmen, das ist für mich immer so ein Teil meiner Arbeit gewesen. Wir arbeiten mit ganz vielen fertigen Materialien. Aber immer wieder gibt es eine Situation, in der auch was Neues gemacht werden muss. Und jetzt gerade im Sprachunterricht. Man hat also eine Lerngruppe und merkt, oh, da hakt das. Was kann ich denn da noch mal machen? Ah, da ist eine Übung. Oh shit, die kann ich nicht nehmen. Die ist ja urheberrechtlich geschützt.
Und dann ist das fantastisch, wenn man freie Materialien hat. Um es konkret zu machen: Es gibt zum Glück ja zwar nicht viele, aber doch immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die auch selbst freie Materialien erstellen und veröffentlichen. Ich habe also im Blick zum Beispiel eine Anisa DLV, die unter CC by SA Materialien erstellt, die sie selbst für einen Unterricht in der Grundschule benötigt. Okay, Grundschulmaterialien, da ist so eine kindliche Optik mit drin. Aber ich sage mal, für den Anfangsunterricht auch mit Erwachsenen, kann ich die gleichen Materialien verwenden. Die darf ich frei verwenden.
Und es gibt mittlerweile andere, eine Birgül Nyer, die im beruflichen Bereich Deutsch als Zweisprache unterrichtet, die eben auch für ihre Zwecke Grafiken erstellt hat, die sie frei zur Verfügung stellt. Fantastisch! Ich kann mit einem Mal Arbeitsblätter illustrieren.
Ein Beispiel, was sich mir eingeprägt hat, Modalverben. Ich kann das, ich muss das und so weiter- brauchen wir ständig. Das ist ein Thema immer im Anfangsunterricht. Wie kann man das darstellen? Und da habe jetzt Materialien, da wird einfach dargestellt, eine Person kann Tischtennis spielen, die kann dieses und jenes. Man sieht das als Bild und man begreift das eigentlich sofort, dass ich kann das, die können das. Und ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte, ist ja so eine Redewendung. Ja, das ist sehr, sehr hilfreich.
Und ein anderes Thema, etwas fortgeschritten, Wegbeschreibung. Das ist immer wieder ein Thema. Dazu gibt es viele Materialien, aber ein Wegbeschreiben nur mit Worten ist zum Lernen nicht so prickelnd. Es ist gut, wenn man Bildmaterial hat. Ich habe kaum was Freies gefunden. Ich habe angefangen, selbst was zu erstellen. Und das darf jetzt jemand anders gerne verwenden. Ich mache das deswegen unter freier Lizenz, weil ich weiß, wie schwer es ist, an solche Dinge ranzukommen. Das sind keine Kunstwerke, aber man kann damit arbeiten. Und ich sehe ja auch, für mich sind es ein paar Stunden Arbeit gewesen, so was zu erstellen. Ich hoffe, dass irgendein Kollege oder eine Kollegin sagen, oh, damit kann ich was anfangen und damit mache ich auch was.
Also der Punkt, den du gerade angesprochen hast, Deutsch lernen beschränkt sich ja nicht auf eine Altersgruppe oder einen Bildungsbereich. Es gibt bestimmt auch mittlerweile Kindergärten, die im Ausland auch irgendwie zweisprachig sind und da vielleicht Deutsch dann auch schon im Kindergarten gelehrt wird.
Karl-Otto Kirst: Also in den sogenannten deutschen Schulen oder an einer privaten Schule in der Türkei, die eben auch starken Deutschunterricht gemacht hat, die haben auch einen Kindergarten, in dem schon ein bisschen Deutsch gemacht wird. Also das gibt es auf jeden Fall, und wir haben natürlich ganz viele Kinder mit Migrationshintergrund, mit denen man sprachlich arbeiten muss.
Ich finde da ist auch OER total super platziert. Du meintest ja auch eben gerade, dass man bei Materialien, die für Grundschüler gedacht sind, auf den ersten Blick vielleicht da denkt: Naja gut, das kann ich jetzt keinem Erwachsenen vorlegen. Aber ich glaube tatsächlich, dass die, wenn sie in einfacher Sprache sind oder eben auch mit Bildern, auch bei Erwachsenen gut ankommen. Gerade am Anfang, wenn man, wenn man erstmal in die Sprache auch reinkommen muss und das Verständnis dafür entwickeln muss.
Karl-Otto Kirst: Vielleicht noch ein konkretes Beispiel. Das Leibniz-Institut für Lehrerbildung in Hamburg, die haben ein Material eben für den Deutschals Zweisprache-Unterricht in den Hamburger Schulen erstellt. Eine typische Situation, da werden öffentliche Gelder dafür ausgegeben, um Materialien zu erstellen. Und im Rahmen der ZUM haben wir schon 2015, unterstützt von vielen anderen OER-Initiativen, eine Erklärung herausgegeben, Schmerlenbacher Appell, und haben gesagt, was mit öffentlichem Geld gefördert ist, sollte eigentlich auch frei öffentlich zugänglich sein. Und jetzt ist das so, dieses Hamburger Material habe ich zufällig gefunden mit tollen Illustrationen, zum Beispiel von Verben. Und auch da ist ja wieder die Frage, wie stelle ich irgendwas dar? Ich meine, Präsenzunterricht, was weiß ich, dann setze ich mich hin, um Hinsetzen zu demonstrieren. Am Bildschirm ist das schon etwas schwieriger. Okay, und die Materialien habe ich gesehen, habe gedacht, toll, die sollte man noch verwenden können. Da stand keine Lizenz dabei. Ich habe einfach nachgefragt und mir wurde gesagt, ja, das darf man unter CC BY verwenden. Fantastisch! Das heißt, ich darf es verwenden, und ich habe es inzwischen auch verwendet. Wir erfinden das zum Deutschlernen. Das sind 50 Verbbilder. Aber diese Bilder sind ein enormer Schritt nach vorne. Und das ist, glaube ich, auch wichtig, weil man ja oft sagt, Mensch, es sind nur so wenige, die was machen. Aber wenige, die etwas Sinnvolles machen, können wichtige Meilensteine werden oder zumindest wichtige erste Schritte in die richtige Richtung sein.
Ralf Klötzke: Stimmt, es hat sich auch wirklich viel getan. Also zum Beispiel auch das Landesinstitut, das LISUM, wo ich arbeite, das veröffentlicht eigentlich auch die Materialien als OER. Und wenn ich da zurückschaue, was so 2010 noch da war, wo wir uns auch, ja, wirklich aufgeregt haben, dass ganz viele Dinge halt mit öffentlichen Geldern produziert werden und man das nicht eigentlich weiter nutzen konnte oder nicht verändern konnte und weiter veröffentlichen konnte. Aber ich würde vielleicht noch was sagen. OER, vielleicht was von so einem Grundprinzip, was ich so kennengelernt habe, als ich zur ZUM gekommen bin. Als sich die ZUM gegründet hat, gab es diesen OER-Gedanken ja noch gar nicht, aber die haben das im Prinzip ja schon gelebt. Und wie gesagt, ich bin 2006 dahin gekommen und konnte damals halt ein eigenes Wiki auch eröffnen. Es gab damals eine Möglichkeit, so eine Art Wiki-Farm. Es gab dann mehrere Wikis, die nebenher existiert haben. Und ich habe so eine Definition für OER damals gehabt: Wenn du etwas gibst, so wird es gegeben. Und ich habe so viel profitiert auch davon, dass ich Dinge von mir, die ich selber produziert habe, öffentlich gestellt habe. Ob das jetzt auch mein Blog war oder andere Dinge. Ich kann das eigentlich nur empfehlen, dass man OER als Definition, als Prinzip annimmt. Das kann einmal für die eigene Karriere nützlich sein, aber auf der anderen Seite natürlich auch für die eigene Persönlichkeit.
Und natürlich, wenn man so konkret jetzt schaut in den Unterricht, wir hatten ja mal den Traum, dass die Wikis auch als sogenannte digitale, interaktive Arbeitsblätter genutzt werden können. In kleinen Sachen haben wir das auch ja umsetzen können. Im Großen hat sich das leider nicht durchgesetzt. Also man muss sich das so vorstellen. Alle reden von Binnendifferenzierung oder von differenzierenden Unterrichten. Man sagt auch, das ist das schlechte Gewissen des Lehrers. Jeder weiß, dass man es machen muss, aber kaum einer setzt es richtig um. Aber eben, indem ich solche Materialien relativ schnell durch das Wiki-Prinzip erstellen kann und die Materialien im Prinzip mixen kann und einmal auf bestimmte Lerngruppen zuschneiden kann, wie Karl schon erklärt hat. Aber ich kann es ja auch differenziert auf bestimmte Schülerinnen und Schüler fokussieren und einrichten für sie. Dadurch, glaube ich, erhält OER nochmal so eine neue Qualität. Das kann ich eben nicht mit allen Materialien, die ich sonst vielleicht für teuer Geld kaufen muss.
OER hat auch eine große Zukunft, meiner Meinung nach. Es gibt ja auch OER-Lehrwerke, die schon entstehen. Die Frage ist natürlich, wie wir in Zukunft Dinge auffinden. Und das war, glaube ich, so ein Grundprinzip, was uns auch immer bei der ZUM ein bisschen auch geärgert haben. Wir wurden größer, wurden schon so ein kleiner Tanker, wie manchmal auch gesagt worden ist, ein bisschen unbeweglicher. Wir haben unwahrscheinlich viel gehabt, aber es wurde gar nicht so von Lehrern wahrgenommen. Und es hat aber eben einen Grund gehabt, dass die Auffindbarkeit nicht richtig funktioniert. Es gibt zwar jetzt verschiedene Initiativen, da kann Karl vielleicht nochmal was dazu sagen, aber da können wir auch nochmal in die Geschichte von ZUM Deutschlernen nochmal zurückgehen. Das ist ja eigentlich auch entstanden, dass wir nicht nur das mit Zoom Willkommen dort eingearbeitet haben, sondern es gab ja vorher schon andere Wikis, die sich mit DaF/DaZ beschäftigt haben oder sagen wir mal mit DaF vor allem.
Also einmal das ZUM-Wiki allgemein, das ist eigentlich das erste gewesen. Dann haben wir das DSD-Wiki gehabt, was ich dann erarbeitet hatte. Eigentlich auch zuerst mit dem Fokus, ich wollte dort projektorientiertes Unterrichten mit Schülerinnen und Schülern machen zum deutschen Sprachdiplom, was ich dann auch durchgeführt habe. Aber dadurch, dass auch andere Lehrer mitgearbeitet haben, konnten wir dann verschiedene Inhalte einstellen. Und als ich dann einen neuen Arbeitgeber hatte, haben wir dann das sogenannte DaF-Wiki, das es auch gab, erstellt, wo zum Beispiel auch so ein Glossar für Lehrerinnen und Lehrer entwickelt worden ist, was wir jetzt auch zum Deutschlernen wiederfinden, wo wir schon erste Lernpfade eingearbeitet haben nach dem Wiki-Prinzip und schon Fortbildungen auch auf diesem Wiki laufen lassen haben. Und diese Wikis, das ist auch wieder eine Entwicklung der ZUM, die sogenannte Wiki-Farm wurde dann auch beendet. Und wir haben dann überlegt, was können wir jetzt mit den bestehenden Inhalten machen und haben sie dann gebündelt in ZUM Deutschlernen. Und hatten dann aber natürlich auch die Chance, eine neue Struktur aufzunehmen und haben überlegt, wie können wir die bestehenden Inhalte, in dieses neue Wiki integrieren, sodass Lehrerinnen und Lehrer damit besser arbeiten können.
Karl-Otto Kirst: Vielleicht also von mir sowas wie auch so ein gewisses Fazit. Es lohnt sich auch etwas, sich zu trauen. Also Ralf und ich ergänzen uns da sicherlich auch ganz gut. Wir haben also eine ähnliche Erfahrung und gleichzeitig auch sehr unterschiedliche Erfahrungen, sodass sich das auch sehr gut ergänzt. Also lange war es so, dass Ralf den Fokus eben auf Lehrerbildung, Fortbildung hatte. Ich war immer eher auf Schule und Lernende fokussiert. Das hat sich sehr, sehr gut ergänzt. Und dann eben mit der Technologie, Entschuldigung diese Wiederholung, aber Ralf hat das hier sehr schön gesagt. Die Wiki-Technologie ermöglicht es, ganz schnell etwas zu verändern. Wir konnten also auch so sehr gut reagieren. Aber de facto sind Ralf und ich meistens die einzigen Mitarbeitenden bei ZUM Deutsch-Lernen. Wir können trotzdem sehr viel bewegen. Es hat aber eben auch diese öffentliche Förderung gegeben, die uns wirklich mal Luft gegeben hat, durchzuatmen.
Und das wäre eigentlich so ein Traum oder so ein Wunsch zu sagen, ja, wer traut sich nochmal so ein Projekt wie ZUM-Deutsch-Lernen oder ähnliche Projekte auch zu fördern? Auch wenn da nicht so die ganz großen Institutionen dahinter hängen. Aber im Vergleich von Aufwand und Wirkung wäre das sicherlich ein sinnvolles Investment.
Ralf, hast du auch ein Fazit, das du gerne noch sagen möchtest? Ansonsten hätte ich auch was.
Ralf Klötzke: Auf alle Fälle geht es auch darum, soll ich, wenn ich jetzt selber Lehrer bin, OER anwenden und auch vielleicht was dazu beitragen? Natürlich wäre eine große Sache, damit ich überhaupt OER nutze und mich im Prinzip dann auch darauf fokussiere, wie ich auch die Lizenzen richtig weitergebe. Ich arbeite auch in ZUM-Apps, wo wir große Probleme haben, zum Beispiel bei falsch angegebenen Lizenzen oder einfach Dinge, die man nicht weiter veröffentlichen darf. Also aus dieser Verantwortung sollte sich eigentlich kein Lehrer stehlen. Und meiner Meinung nach gehört das auch in die moderne Lehrerausbildung hinzu, dass ich mit solchen Lizenzen umgehen kann. Auf der anderen Seite kann ich das nochmal wiederholen, dass das sehr bereichernd sein kann, auch so einer Community beizutreten oder einfach mitzumachen. Also ihr bekommt so viel zurück, auch an Wissen und auch an Reflektionen eurer eigenen Arbeit.
Weil manchmal ist es ja auch so, dass man als Lehrer so eine Art Einzelkämpfer ist. Und mir hat zum Beispiel diese ZUM-Truppe geholfen, ganz andere Horizonte auch zu sehen und ganz neue Wege zu beschreiten. Also ich denke, einfach den Mut haben. Früher gab es immer diesen Spruch, komm ins Offene. Das war auch so eine schöne Übung. Kann ich nur sagen, ja, probiert es einfach aus, und es wird euch auf alle Fälle nicht schaden.
Ich würde da auch gerne noch was abschließend zu sagen. Und zwar zu den Stichworten Community und Auffindbarkeit. Ich würde es ganz toll finden, gerade weil Deutsch ja auch auf der ganzen Welt gelernt wird, wenn man auch über die OER World Map zum Deutschlernen aufmerksam würde. Nach dem kürzlich erfolgten Relaunch werden gerade viele neue Beiträge oder Einträge gesammelt. Und dann wünsche ich euch für die Zukunft, dass ihr noch sehr viel mehr Rückmeldungen bekommt. Und das würde ich mir für euch auch wünschen tatsächlich, weil ich finde, eure Arbeit sollte auf jeden Fall gesehen und genutzt werden.
Dann sind wir am Ende angekommen und ich bedanke mich sehr für eure Zeit. Es ist für mich persönlich, wie gesagt, ein super spannendes Thema, und ich glaube, in den nächsten Jahren ist das auch immer noch aktuell und wird uns sogar noch mehr begleiten. Genau, deshalb vielen Dank, dass ihr euch die Zeit dafür genommen habt.
Karl-Otto Kirst: Gerne und ein letzter Satz von mir. Ich glaube, man darf nicht so den kurzzeitigen Erfolg im Publikum haben, sondern wenn man sich für OER engagiert oder wenn man OER nutzt, produziert, dann kann man eigentlich nur so ein grundsätzliches Ziel im Blick haben. Die Rückmeldungen, die Erfolge, dass man von anderen etwas bekommt oder dass man auch mal Lob bekommt, kommen nicht unmittelbar, die kommen aber so mittel- und langfristig. Und es ist ein gutes Gefühl einfach in der Community, das hat Ralf ja schon gesagt, in der Community drin zu sein. Und wenn man das im Blick hat, dann kann man sich gut fühlen und dann kann man auch damit leben, dass man vielleicht erst in zwei, drei Jahren mal irgendeine positive Rückmeldung hat.
(Transcribed by TurboScribe.ai. Go Unlimited to remove this message. Wir haben das Interview für eine bessere Lesbarkeit geglättet.)
Angela Karnoll (Interviewerin), OERinfo – Informationsstelle OER; „Real Estate“ (Podcast-Jingle) von UNIVERSFIELD, lizenziert unter CC BY 4.0.
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