Interview mit Prof. Dr. Ute Harms vom Leibniz-Institut für Pädagogik in den Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)
Ute Harms, Professorin für Didaktik der Biologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktorin am IPN stellt das Verbundprojekt VideT, Videobasiertes Transferinstrument für Schülerinnen und Schüler, vor. VideT ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt von IPN, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen sowie den Universitäten Bochum und Hannover. Neben der fachwissenschaftlichen Forschung zur Ökologie von Fledermäusen erforscht es die multimediale Vermittlung von Kompetenzen – mit dem Ziel den Austausch zwischen Schulen und Wissenschaft zu verbessern.
Das IPN mit Sitz in Kiel untersucht Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse mathematisch-naturwissenschaftlicher Bildung von der Kindheit bis in das Erwachsenenalter.
Zum Interview mit Ute Harms
Lesefassung
Guten Tag und herzlich willkommen bei Bildung auf die Ohren, dem Podcast des Deutschen Bildungsservers. Mein Name ist Christine Schumann. In dieser Folge unserer Podcast-Reihe Bildungsforschung für die Bildungspraxis ist Ute Harms vom Leibniz-Institut für Pädagogik in den Naturwissenschaften und Mathematik zu Gast, auch als IPN bekannt.

Eine Podcast-Reihe in Kooperation mit dem Leibniz Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale, in dem das IQB ist Mitglied ist.
Das IPN mit Sitz in Kiel untersucht Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse mathematisch-naturwissenschaftlicher Bildung von der Kindheit bis in das Erwachsenenalter. Frau Harms ist Professorin für Didaktik der Biologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktorin am IPN. Sie beschäftigt sich damit, wie biologische und naturwissenschaftliche Kompetenzen im Unterricht und bei außerschulischen Lerngelegenheiten entwickelt und gefördert werden können. Sie ist in der Lehrkräftebildung tätig und sie engagiert sich in der Bildung für Nachhaltigkeit.
Guten Tag, Frau Harms. Am besten stellen Sie sich unseren Hörerinnen und Hörern selbst noch einmal ausführlicher vor. Wer sind Sie und wozu forscht Ihr Institut?
Ute Harms: Ja, hallo. Danke, dass ich heute hier ein bisschen von unserer Arbeit erzählen darf. Ja, ich fange mal mit unserem Institut an. Das IPN liegt im Norden von Deutschland. Wir haben unser Institut in Kiel und wir sind ein Leibniz-Institut. Das heißt, wir sind ein Institut, das der Maxime Theoria cum Praxi folgt. Also, wir machen im Kern vor allen Dingen Forschung, die auch einen starken Anwendungsbezug hat und deren Ergebnisse eine Anwendung finden sollen im Bildungsbereich. Die Schwerpunkte unserer Arbeit haben Sie zum Teil schon genannt. Das sind die naturwissenschaftlichen Fächer, das ist die Mathematik, die Informatik, aber wir haben auch Forschungsarbeiten aus den intrinsischen Fächern, pädagogische Psychologie und auch die Methodenlehre steht hier bei uns im Mittelpunkt.
Und wir haben ein empirisches Paradigma. Das heißt, wir denken uns nicht Dinge aus, sondern wir erheben Daten in unseren Forschungen, aus denen wir dann Losfolgerungen ableiten, die für die Praxis, angefangen von der Bildungspraxis im Elementarbereich bis hin zur Universität und der beruflichen Bildung, dann hoffentlich Einfluss auf Entwicklung, positive Einflüsse auf die Entwicklung haben. Mein Hintergrund ist, ich bin Gymnasiallehrerin für die Fächer Biologie und Deutsch, habe hier in Kiel vor vielen, vielen Jahren diese Fächer Pädagogik und Philosophie studiert, habe fünf Jahre auch in der Schule unterrichtet, vorher mein zweites Staatsexamen absolviert, bin promovierte Biologin und seit 25 Jahren Professorin für Didaktik der Biologie. Meine Universitäten, an denen ich tätig war, sind die LMU München, die Universität Bremen und jetzt seit einigen Jahren die Christian-Albrechts-Universität hier in Kiel, verbunden mit der Forschungsarbeit am IPN.
Und was ist am IPN dann Ihr spezielles Forschungsgebiet als Professorin für Didaktik der Biologie? Was kann man sich darunter genauer vorstellen?
Ute Harms: Also im Kern ist es Bildungsforschung, die sich mit der Biologie, mit dem Fach Biologie beschäftigt, aber auch darüber hinaus mit Schnittflächen zu den anderen naturwissenschaftlichen Fächern. Es geht in meinen Forschungen zum Beispiel um die Frage, wie werden grundlegende biologische Konzepte, mit welchen Methoden werden diese von Schülerinnen und Schülern im Unterricht beispielsweise am besten gelernt, welche Hindernisse lassen sich nachweisen, die bisher dazu geführt haben, dass diese Konzepte nicht gelernt wurden.
IPN: Handreichungen, Material und Literatur für die Praxis
- Das Verbundprojekt VideT – Videobasiertes Transferinstrument für Schülerinnen und Schüler in der Projektedatenbank des Innovationsportals
- Das IPN und seine Abteilungen in der Institutionendatenbank des Deutschen Bildungsservers
- IPN-Forschungslinien
- IPN-Unterrichts- und Fortbildungsmaterialien für MINT-Fächer
- MINT-Fächer – Arbeitsblätter und Unterrichtsmaterialien beim Deutschen Bildungsserver
- IPN-MatMINT-Fächer – Arbeitsblätter und Unterrichtsmaterialienialien für den Biologieunterricht
- Biologie – Arbeitsblätter und weitere Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufen beim Deutschen Bildungsserver
Außerdem forsche ich im Bereich der Lehrkräftebildung. Da habe ich mit Einsatz von KI eine digitale Simulation entwickelt, die wir hier in der Lehrkräftebildung sowohl in der ersten Phase als auch im Zusammenhang mit dem IQSH in der zweiten Bildungsphase für Lehrkräfte der Biologie einsetzen. Und ich glaube, Sie sagten es bereits, ich forsche auch seit einigen Jahren interdisziplinär zum Thema Klimabildung, also insbesondere über das Konstrukt Risikoerfahrung, Risikowahrnehmung, was inwieweit hat Risikowahrnehmung einen Einfluss darauf, ob wir uns positiv der Klimaentwicklung verhalten oder nicht.
Das sind so meine Schwerpunkte. Und ein querliegender Themenbereich ist die Frage, wie vermitteln wir Schülerinnen und Schülern, aber auch der Öffentlichkeit, wie Forschung, wie Wissenschaft in den Naturwissenschaften überhaupt funktioniert?
Genau, dazu haben Sie auch vorgeschlagen, dass wir über ein Projekt sprechen, das Sie gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen quasi betrieben haben. Sie haben da ein videobasiertes Transferinstrument entwickelt, das Schülerinnen und Schülern Einsichten in Forschungsergebnisse und in den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess vermittelt. Das heißt VideT. Können Sie das mal unseren Hörerinnen und Hörern ein bisschen erklären, was Sie da genau gemacht haben und worum es da geht?
Ute Harms: Ja, sehr gern. Sie sagten schon, es ist ein Projekt, das von verschiedenen Institutionen durchgeführt wurde. Und wir sind so noch beim Publizieren, also noch beim Datenauswerten. So ganz abgeschlossen ist es noch nicht. Die Finanzierungsphase ist vorbei, aber natürlich muss noch der große Erkenntnisgewinn aus dem Projekt aufgeschrieben werden.
Es ist schwierig Forschungsergebnisse zu transferieren und zu vermitteln und deutlich zu zu machen, wie ein Wissenschaftler überhaupt zu seinen Ergebnissen kommt.
Wir haben dieses Projekt durchgeführt, zusammen mit dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, die den Lead hatten auch in diesem Projekt. Also ein rein naturwissenschaftlich-biologisch-lebenswissenschaftlich-forschungsinstitut. Und dann war neben dem IPN noch ein zweites Leibniz-Institut dabei, das eher so in den Bereich der Bildungsforschung zu verorten ist. Das ist das Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Und wir hatten auch noch Kollegen und Kolleginnen von der Ruhr-Universität in Bochum und von der Universität Hannover dabei.
Und Sie sagten es bereits, der Fokus und das Anliegen dieses Projekts, hier zu einmal ganz grob gesprochen, war, weil wir aus der Forschung wissen, dass das ein Problem darstellt, eben nicht nur Forschungsergebnisse zu transferieren und zu vermitteln, sondern auch deutlich zu machen, wie kommt ein Wissenschaftler überhaupt zu seinen Ergebnissen? Wie kommt er überhaupt auch zu einer Fragestellung? Was ist eine relevante naturwissenschaftliche Fragestellung, die überhaupt auch mit naturwissenschaftlichen Methoden dann auch beantwortbar ist? Und das war sozusagen der eine Punkt.
Und der zweite Punkt war, dass wir auch ein digitales Instrument in diesem Kontext entwickeln wollten, deren Kern Videos darstellen, wo wir die darstellen, wie der Forschungsprozess durchgeführt wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom eben schon erwähnten Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Da ging es um zwei Projekte über Fledermäuse, wo wir in den Videos den gesamten Denkprozess des Forschers und der Forscherin transparent gemacht haben, indem die Forscherinnen und Forscher beispielsweise genau gesagt haben, warum sie jetzt diese Frage stellen und wie sie von der Fragestellung, wo sie die Hypothesen herbekommen haben, die sie als potenzielle Antworten auf ihre Fragestellung entwickelt haben, wie sie dann auf den konkreten Untersuchungsablauf dann gekommen sind und bis hin dann über Datenerhebung, bis zu Hypothesenüberprüfung dann am Ende. Und wir haben verschiedene Varianten von Transparenz, sage ich jetzt mal ganz allgemein, zum Forschungsprozess entwickelt und gefilmt, auch ganz professionell mit einem professionellen Filmteam.
Das war alles sehr, sehr aufwendig. Und in unseren Forschungen haben wir dann geschaut. Das waren dann Forschungen, die an sogenannten Aktionstagen mit Schulklassen an verschiedenen Orten stattgefunden haben, wo Lehrkräfte die Möglichkeit hatten, mit ihren Lerngruppen zu kommen. Einen ganzen Tag dann wurde mit den Schülerinnen und Schülern gearbeitet. Sie haben auf dieser digitalen Plattform dann Fragen gehabt, Texte und so weiter, mit denen sie sich auseinandergesetzt haben. Und der Kern wurde eben von diesen Videos gebildet. Und wir hatten dann verschiedene Gruppen, haben verschiedene Videos dann bekommen zur Arbeit, damit wir dann letztendlich schauen konnten, gibt es da Unterschiede und macht es wirklich etwas aus, wenn der Forschungsprozess und wie der Forschungsprozess dargestellt wird und damit auch an einem authentischen Forschungsprojekt auf eine gewisse Art und Weise die Schülerinnen und Schüler selbst in Anführungsstrichen teilnehmen können und das hautnah beobachten können. Und wir sind, wie gesagt, bei der Datenauswertung, aber wir haben schon Hinweise, dass wir da tatsächlich auch Wirkungen identifizieren können.
Also das heißt, es ist sinnvoll und den Leuten oder den Schülerinnen und Schülern zu erklären, wie Forschung funktioniert. Das Verständnis für die Ergebnisse wird größer dadurch. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, dass es für Schüler wichtig sein könnte, solche Einblicke zu bekommen? Haben Sie auch aus der Praxis entsprechende Hinweise bekommen, zum Beispiel von Biologielehrerinnen oder wie kommt die Forschung zu Ihren Forschungsfragen?
Ute Harms: Für unseren Bereich oder ich denke, dass auch vielleicht jede Wissenschaftlerin, jeder Wissenschaftler da auch so ein bisschen seine eigenen Schwerpunkte setzt, woraus er jetzt seine Fragestellungen ableitet. Natürlich ist es schon mal die intrinsische Neugier, die Wissenschaftler an sich schon mitbringen, denn ein Wissenschaftler ist ja ein Wissenschaftler, weil er neues Wissen schaffen möchte.
Während der Corona-Pandemie konnte man die offenen Stellen von Wissenschaft erkennen.
Und in diesem Zusammenhang waren für mich zwei Ansatzpunkte relevant für die Entwicklung, gemeinsam natürlich mit den Kolleginnen und Kollegen. Das ist also nicht alleine nur auf mich zurückzuführen, sondern wir haben das Ganze ja auch in der Antragstellungsphase intensiv diskutiert. Und ich sage jetzt mal, die zwei schwerpunktmäßigen Ausgangspunkte waren zum einen, dass in der Corona-Pandemie man ja sehr schön, ich sage jetzt mal, die offenen Stellen von Wissenschaft erkennen konnte, nämlich dass sich im Laufe dieser schrecklichen Jahre, die wir unter Corona leiden mussten, in den Medien erkennen konnten, dass auch Wissenschaftler nicht genau wissen, wie etwas zu erklären ist, sondern dass sich das auch im Laufe der Zeit, die Erklärungsansätze, gerade bei so etwas Neuem wie jetzt diesem Covid-19-Virus, dass auch Wissenschaftler schrittweise immer tiefer und immer breiter und immer genauer Erkenntnisse erarbeiten, was natürlich dann auch dazu führt, dass in der Anwendung, in diesem Fall war es ja vor allen Dingen dann die Impfstoffe, dass sich da eben auch Dinge verändern und dass ein Impfstoff, der zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr gut gewirkt hat gegen das Virus, vielleicht anderthalb Jahre später nicht mehr so gut gewirkt hat, was dann an Widerstand kam, gezeigt hat, Menschen, die Öffentlichkeit ist viel zu wenig informiert darüber, wie Naturwissenschaften und medizinische Forschung abläuft.
Wissenschaftler brauchen eine gewisse Ambiguitätstoleranz, eine Unkenntnistoleranz.
Und wir brauchen einfach ein gewisses Maß an Ambiguitätstoleranz. Wir müssen eine gewisse Unkenntnistoleranz haben, auch als Wissenschaftler, weil wir kommen der Wahrheit schrittweise näher, aber wir kommen nie ganz bis zu der Wahrheit. Denn gerade auch im Zusammenhang mit der medizinischen Forschung und auch der lebenswissenschaftlichen Forschung allgemein ist es wichtig, welche Techniken können wir überhaupt anwenden.
Erkenntnisgewinnung ist bei den KMK-Bildungsstandards einer von vier Kompetenzbereichen für den schulischen naturwissenschaftlichen Unterricht.
Und der zweite Ansatzpunkt für das VIDET-Projekt war die Tatsache, dass wir ja in den KMK-Bildungsstandards, die maßgeblich sind für alle Bundesländer und auf deren Basis die Lehrpläne für den Unterricht entwickelt werden, dass die einen Kompetenzbereich von vier festlegen für den schulischen naturwissenschaftlichen Unterricht, der als Erkenntnisgewinnungsbereich festgeschrieben ist. Und in dem geht es auch darum, dass Schülerinnen und Schüler neben dem inhaltlichen Wissen, das sie entwickeln, auch über das wissenschaftliche Denken eines Naturwissenschaftlers Bescheid wissen müssen, dass sie begreifen müssen, welche Schritte ein Naturwissenschaftler geht, um eine möglichst belastbare Evidenz hinterher auch formulieren zu können. Aber auch auf einer übergeordneten Ebene, nicht neben den Schritten, die wir als Wissenschaftsverständnis bezeichnen, auch ein wissenschaftliches Denken zu entwickeln, also über Wissenschaft auch nachdenken zu können und zu erkennen, ist etwas, was mir da vielleicht in der Zeitung oder in anderen, in den sozialen Medien vorgegaukelt wird, ist das tatsächlich wissenschaftlich erarbeitet worden, hat das diese Qualität oder nicht? Also wir nennen das Nature of Science.
Das leuchtet unmittelbar ein, vor allem nach den Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Da konnte man ja sehr gut nachvollziehen, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert. Bei vielen Leuten hat es für große Irritationen gesorgt, weil sie immer dachten, was die Wissenschaft sagt, ist richtig für immer und ewig. Und man hat da so richtig schön beobachten können, wie man sich immer wieder neu überlegen muss, was hat sich verändert, wie sind die Zahlen jetzt zu deuten. Also ich fand das für meinen Teil zumindest recht spannend. Aber Sie sagten, das Projekt ist jetzt abgeschlossen, das lief bis Ende 2024. Sie sind noch mit der Auswertung beschäftigt, aber jetzt die Frage, was haben denn die Lehrkräfte und die Schülerinnen von diesem Projekt, wenn das jetzt abgeschlossen ist, wie wird das weiter in der Praxis oder im Unterricht eingesetzt?
Ute Harms: Ja, das ist eine sehr gute Frage, die uns nicht nur umtreibt und auch Thema ist bei diesem Projekt, sondern wir haben ja auch schon andere Projekte gehabt, wo wir digitale Plattformen entwickelt haben, gerade so im Transferbereich, wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse an oder auch wie hier jetzt eben auch andere Bildungsinhalte wie den Forschungsprozess an Schülerinnen und Schüler, aber es gilt genauso für andere Gruppen, heranbringen möchte. Diejenigen, die am meisten davon profitiert haben, sind natürlich die ganzen Klassen, die zu den Aktionstagen gekommen sind und ich denke nicht nur die Klassen, sondern auch die Lehrkräfte, die ja auch da Einblick bekommen haben in diese Plattformen, die haben natürlich am meisten davon gehabt. Und unser Wunsch wäre es natürlich, dass man so eine Plattform dann auch verstetigen kann, damit man nachhaltig diese Bildungsprozesse bei Schülerinnen und Schülern und vielleicht kann man da auch noch an andere Gruppen denken, weil wir nicht nur dieses Instrument für die Schule gemacht haben, sondern auch mit dem Ziel, dass auch außerschulische Lernorte, Schülerlabore beispielsweise, diese Plattform dann nutzen können und diese Videos.
Wünschenswert wäre eine nachhaltige Verstetigung von Ergebnissen aus der Bildungsforschung für die Bildungspraxis.
Es ist aber, und das ist eben auch eine gewisse Problematik dieser befristeten Projekte, die natürlich für uns sehr wichtig sind, für die Forschung, aber dass dann so ein Instrument auch im Sinne von Theoria cum Praxi nachhaltig irgendwo aufgehängt wird, wo es benutzbar ist von den Adressaten und Adressatinnen, die wir im Blick hatten. Das ist nach wie vor eine große Frage, wie das umgesetzt werden kann. Da sind unterschiedliche Problemfelder.
Da ist einmal das technische Problemfeld. Selbst wenn man einen Ort, einen virtuellen Ort, sage ich mal, hätte, wo man diese Plattform etablieren könnte, dann ist es so, dass die Technik ja weiterschreitet und diese Plattform ist in einem bestimmten Format programmiert. Und es ist jetzt schon absehbar, dass 2030 es die nächste Version geben wird und dann diese Plattform müsste in diese neue Version gesetzt werden, damit es technisch überhaupt funktioniert.
Das zweite ist aber auch, wo ist ein Ort, an dem man das aufhängt? Also aus IPN-Sicht ist natürlich das IPN da ein interessanter Ort, denke ich, weil die Lehrkräfte, die in den Naturwissenschaften unterrichten, das IPN in der Regel auch kennen und vielleicht ja auch auf unsere Homepage gehen. Und unter aktuelles machen wir die nach außen besonders deutlich sichtbar, wenn jetzt etwas Neues entstanden ist. Beispielsweise auf der Homepage meiner Abteilung haben wir so einen Reiter Materialien.
Da können Lehrkräfte ganze Lehrprogramme zum Beispiel zur Evolution sich herunterladen und damit arbeiten. Das wäre beispielsweise eine Möglichkeit, wobei die Komplexität zu einer Plattform das eigentlich schon übersteigt. Wir sind jetzt am überlegen, ob wir das Ganze versuchen abzuspecken, dass wir wenigstens diese Videos zum Beispiel beim IPN dann verorten, dass Lehrkräfte sich wenigstens diese Videos herunterladen können, um damit mit ihren Schülerinnen und Schülern oder auch in Schüler Laboren zu arbeiten und wir die Materialien dann als PDFs zusätzlich zur Verfügung stellen. Aber es ist natürlich schade, dass dadurch geht auch diese interaktive Möglichkeit, die die Plattform natürlich verloren.
Genau, das ist eigentlich schon Teil meiner nächsten Frage vorweggenommen. Wie Schulen oder Lehrkräfte überhaupt was erfahren über die Angebote, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim IPN entwickeln? Wie werden die davon in Kenntnis gesetzt? Wie erfahren sie davon? Sie sagten über die Webseite des IPN, auch vielleicht über Lehrkräftebildung, also jetzt nicht speziell auf ihr Projekt bezogen oder auf dieses VideT-Projekt bezogen, sondern auch auf die anderen Erkenntnisse.
Ute Harms: Das wären ja die Klassiker. Ich sage erstmal, in der Lehrkräftebildung tätig ist, dass das an Lehrerseminare weitergereicht wird, dass das verpflichtende Fortbildungen sind. Wie sind da Ihre Kommunikationswege bisher gewesen? Ja, also es gibt verschiedene.
Sie haben schon einige genannt. Ich kann aber sagen, dass gerade dieser Aspekt einer ist. Ich bin jetzt 25 Jahre lang Professorin für Didaktik der Biologie in Bayern, in Bremen und jetzt seit langer Zeit auch in Schleswig-Holstein. Und es war eigentlich überall das Gleiche. Wir machen nach meiner Auffassung, ich habe selbst fünf Jahre in der Schule unterrichtet und habe auch guten Kontakt zu Lehrkräften, auch hier in Schleswig-Holstein, die mir im privaten Bereich dann auch rückmelden, Mensch, das ist super. Hätte ich das eher gewusst. Und diese Disseminationsebene, die ist schwierig. Ich meine, wir in den naturwissenschaftlichen Fächern und Mathematik und jetzt ja auch Informatik haben wirklich den Luxus, dass es dieses Institut in Deutschland gibt. Das gibt es ja für andere Fächer nicht. Und nach meiner Auffassung ist das wirklich ein Schatz, der hier entwickelt wird.
Wir haben jetzt gerade mit einem neuen Projekt angefangen, Fabius, wo wir versuchen, eben unsere Ergebnisse, die bildungswissenschaftlichen Ergebnisse über eine Plattform an Lehrkräfte zu bringen. Aber auch da werden wir wieder irgendwann dieses Problem haben. Das Projekt ist zu Ende und was machen wir mit der Plattform? Aber Sie haben ganz richtig den einen schwerwiegenden Punkt oder wichtigen Punkt angesprochen. Das ist die Lehrkräftebildung, sowohl in der ersten als auch in der zweiten und dritten Phase und natürlich unsere Studierenden. Aber da ist eben auch ganz sichtbar, Studierende machen ja auch Schulpraktika während ihres Studiums und wir kommen gegen die Praxis nicht gegen an.
Die Bildungsforschung kommt gegen die Praxis nicht an.
Wenn die Lehrkräfte in der Schule sagen, hier macht das so und wir mit unseren 14 Semesterwochenstunden begründen mit Forschung, internationaler Forschung, hier sind Effekte nachgewiesen und das macht Sinn, es so und so zu machen, da kommen wir gegen die Praxis nicht gegen an. Das ist nach wie vor ein Problem, gibt es ja heute nicht mehr, ein großes Feld von Herausforderungen. Dann haben wir unsere aktuelle Seite auf der Homepage, wir gehen über unsere Fachgesellschaften, also der V-Bio ist ja eine Rahmengesellschaft oder mir fehlt gerade das richtige Wort dafür.
Dachverband oder?
Ute Harms: Ja genau, ein Verband in dem viele Fachgesellschaften aus den Lebenswissenschaften vereinigt sind und da gibt es eben auch eine Gruppe von Lehrkräften, Biologie Lehrkräfte sind da auch organisiert als Gruppe. Da gehen wir über die Verteiler und wir würden uns natürlich auch sehr wünschen, wenn unsere Lehrkräftefortbildungsveranstaltungen, die wir dann anbieten, um auch diese Dinge in die Praxis zu bringen, auch nachgefragt würden. Aber das ist ganz schwierig, ich kann das auch verstehen, wir haben alle sehr viel zu tun. Es ist nur so schade, dass wenn wir dann, also wir haben manchmal Lehrkräftefortbildungen, da stellen wir dann fest, wir sind fast so viele, die die Fortbildung durchführen wie Teilnehmende. Das geht natürlich auch nicht, aber es wäre vielleicht doch schön, wenn man schauen würde, dass auch für Lehrkräftefortbildungen verpflichtend werden, denn ich glaube keiner von uns würde zu einem Mediziner, zu einem Arzt oder einer Ärztin gehen, die sich nicht auf Zack hält, was so an Therapien und Diagnosen möglich ist. Und ich finde der Vergleich zum Bildungsbereich ist da eigentlich sehr gut möglich. Es ist ja auch von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Es gibt auch Bundesländer, da ist es so. In Schleswig-Holstein gibt es nach meiner Kenntnis keine verbindlich.
Qualitätsgeprüfte Fortbildungen für Lehrkräfte sollten verpflichtend sein.
Wir müssen ein bisschen auf die Zeit gucken, Frau Harms. Ich habe noch zwei Fragen. Vielleicht können Sie die eine kurz beantworten, bevor ich zu dieser Schlussfrage komme. Bekommen Sie denn Feedback aus der Praxis zu Ihren Angeboten? Wie oft und von wem? Sie sagten, Sie machen Lehrkräftefortbildungen. Was hören Sie denn da?
Ute Harms: Also wenn wir Lehrkräftefortbildungen machen, da haben wir bei den Teilnehmenden natürlich immer eine hochgradig selektive Gruppe, weil das sind natürlich diejenigen, die auch wirklich sich wahrscheinlich am meisten interessieren. Aber wenn wir Lehrkräftefortbildungen machen, bekommen wir im Gespräch mit den Teilnehmenden ein Feedback. Wir machen aber auch in den meisten Fällen ein strukturiertes Feedback, weil für uns dieses Feedback natürlich auch extrem wertvoll ist, um unsere Dinge auch stärker mit der Praxis zu vernetzen. Ich soll ja kurz antworten, aber eines möchte ich doch noch hinzufügen. Und zwar, es hat ja früher große Programme gegeben, wie SINUS beispielsweise oder die Kontextprojekte am IPN oder dieses Riesenprogramm Alleskönner und …, das das Land Hamburg aufgesetzt hatte, wo wirklich die Lehrkräfte auf Augenhöhe mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Unterricht gearbeitet haben.
Das war damals gerade, als die Etablierung des kompetenzorientierten naturwissenschaftlichen Unterrichts in Deutschland begann. Und das ist für mich persönlich eigentlich so das Optimum, dass man auf Augenhöhe miteinander arbeitet, weil natürlich haben Lehrkräfte viele Erfahrungen, praktische Erfahrungen aus dem Unterricht mitbringen. Die sind für uns total wertvoll, weil A, um auch das mit einzubeziehen in den Entwicklungen, die wir dann vorschlagen.
Zum Zweiten aber natürlich auch, um auch die richtigen Fragen zu stellen. Also wir entwickeln unsere Fragestellungen in der Wissenschaft ja in erster Linie aus dem Kontinuum der wissenschaftlichen Erkenntnisse und wir entwickeln Theorien weiter und das Ganze ja international. Wir machen ja gar keine lokale Forschung oder nur Forschung für Deutschland. Das geht ja um etwas Größeres. Aber nach meiner Auffassung sollte es auch eine zweite Quelle geben für unsere Art von Forschung und die muss aus der Praxis kommen. Aber da dieser Gesprächsfaden gar nicht so sehr da ist und da auch viele Berührungsängste sind, findet das nicht statt. Und das finde ich sehr, sehr schade.
Genau, das wäre nämlich jetzt auch tatsächlich meine allerletzte Frage gewesen, was Sie sich für die, was Sie sich wünschen würden für die künftige Zusammenarbeit zwischen Bildungsforschung und Bildungspraxis?
Ute Harms: Ja, dass es vielleicht überlegt wird, wie man das auch strukturiert wirklich organisieren kann und es nicht so eine Zufälligkeit ist mit mehr Verbindlichkeiten. Ich sagte das schon, das werden Lehrkräfte wahrscheinlich gerne hören. Aber ich denke schon, es wäre gut, auch verbindliche Lehrkräftefortbildungen zu haben. Da ist natürlich gleichermaßen dann aber auch notwendig, dass diese Fortbildung auch einer Qualitätsprüfung unterliegen. Das ist nach meiner Auffassung dann natürlich die Kehrseite der Medaille, die eingelöst werden muss.
Wünschenswert wäre eine engere Zusammenarbeit auch zwischen Praxis und Wissenschaft.
Und generell eine engere Zusammenarbeit auch zwischen der Praxis und der Wissenschaft. Es gibt ja jetzt, wenn ich das noch kurz hinzufügen darf, das riesige QUAMATH-Projekt für den Mathematikunterricht. Ich glaube, es soll zehn Jahre laufen, was ja wohl das IPN ja maßgeblich auch für steht, was die KMK finanziert, wo Lehrkräfte-Netzwerke mit Wissenschafter-Netzwerken eng zusammenarbeiten und da eben ein riesiger Pool an Lehrkräftefortbildungen entwickelt wird, um den Mathematikunterricht in Deutschland zu verbessern.
Und nach meiner Auffassung brauchen wir etwas Ähnliches auch für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Und da möchte ich noch einen Gedanken mit reinbringen. Wir wissen alle, das ging durch die Medien ja in den letzten Monaten und im letzten Jahr vehement, dass die Schülerinnen und Schüler in Deutschland mit den Basiskompetenzen ganz große Probleme haben.Das betrifft Mathematik, das betrifft Deutsch. Aber die naturwissenschaftlichen Fächer haben ja und überhaupt die Sachfächer neben ihren eigenen Inhalten natürlich auch die Aufgabe, die Basiskompetenzen anzuwenden. Es gibt so viele biologische Bereiche und auch naturwissenschaftliche Bereiche, wo wir Mathematik brauchen.
Mit Sprache haben wir immer zu tun. Also auch unter dem Aspekt ist es wichtig, natürlich die Naturwissenschaften an sich sind maßgeblich wichtig, auch für die Zukunft unseres Landes, das wissen wir alle. Aber auch nochmal in die Richtung zu denken, wie verbinden wir die Dinge? Wozu nutzen wir den naturwissenschaftlichen Unterricht noch? Auch das wäre etwas, was in so einem großen angelegten Projekt wie QUAMAT, wenn es so etwas Analoges für die Naturwissenschaften gäbe, auch diskutiert werden könnte.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch, Frau Harms. Und hoffe, dass unsere Hörerinnen und Hörer was mitgenommen haben von Ihren Ausführungen, aber ich glaube, ja.
Ute Harms: Danke Ihnen.
(Transcribed by TurboScribe.ai. Go Unlimited to remove this message. Wir haben das Interview für eine bessere Lesbarkeit geglättet.)
Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver