Interview mit Prof. Dr. Miriam Langlotz, Universität Kassel
Wie lassen sich Sprachförderung und emotionale Bildung im Unterricht verbinden? Prof. Dr. Miriam Langlotz von der Universität Kassel zeigt mit dem Verbundprojekt „Fühlen, Denken, Sprechen in der Grundschule“ (FDS-G), wie Lehrkräfte mit gezielten Gesprächsanlässen Kinder darin unterstützen können, Gefühle sprachlich auszudrücken – und so Bildungssprache ganz natürlich zu fördern.
Das Ziel dieses Projekts besteht darin, eine Fortbildung für Lehrkräfte und Betreuungspersonen zu konzipieren, die sie in der unterrichtlichen und alltagsintegrierten, inhaltsbezogenen Sprachförderung qualifiziert. Im Zentrum der Sprachförderung stehen Sprachlernstrategien und das dialogische Sprechen über Emotionen („Emotion Talk“) – ein für Kinder wichtiger und motivierender Anlass zum Gespräch, der Sprache und Emotionen auf natürliche Weise miteinander verknüpft.
Zum Interview mit Prof. Dr. Miriam Langlotz
(19 min)
Gekürzte Lesefassung
(Transkribiert und stark zusammengefasst mit dem AI Companion.)
Willkommen bei einer neuen Folge von „Bildung auf die Ohren“, dem Podcast des Deutschen Bildungsservers.
Ich spreche heute mit Prof. Dr. Miriam Langlotz von der Universität Kassel über das Forschungsprojekt „Fühlen, Denken, Sprechen in der Grundschule“. Schön, dass Sie da sind, Frau Langlotz.
Miriam Langlotz: Vielen Dank, ich freue mich sehr über die Einladung. Ich bin Professorin für Deutschdidaktik für die Primarstufe an der Universität Kassel und damit für die Ausbildung von Grundschullehrkräften zuständig. Ich habe selbst Grundschullehramt studiert. In meiner Forschung beschäftige ich mich mit Schreibentwicklung und Schriftspracherwerb, auch über die Primarstufe hinaus, sowie frühem Spracherwerb, Sprachförderung und Grammatikdidaktik.
Im Kern geht es mir darum, zu untersuchen, wie Kinder sprachliche Mittel erwerben, um ihre Gedanken klar auszudrücken, zu argumentieren oder zu erklären – also Bildungssprache lernen, die für schulisches Lernen unerlässlich ist.
Mich interessiert besonders, wie wir angehende Lehrkräfte darauf vorbereiten können, Kinder sprachlich und inhaltlich so zu begleiten, dass sie ihr sprachliches Potenzial voll entfalten können.
Vom Kita-Projekt zur Grundschule: Emotionen als Türöffner für Sprache
Wir hatten ja bereits Frau Prof. Dr. Maria von Salisch und Herrn Dr. Oliver Hormann zu Gast, die das Vorgängerprojekt „Fühlen, Denken, Sprechen“ in der Kita betreut haben.
Wie kam es zu der Weiterentwicklung für die Grundschule – und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Miriam Langlotz: Das Grundschulprojekt knüpft direkt an das Kita-Projekt an und wurde im Rahmen der BMBF-Förderlinie „Sprachliche Bildung in der Einwanderungsgesellschaft“ weiterentwickelt. Unser Ziel war es, Lehrkräfte und pädagogisches Personal darin zu unterstützen, alltägliche Situationen – wie den Morgenkreis, Konfliktgespräche oder Pausensituationen – gezielt sprach-förderlich zu gestalten.
Im Mittelpunkt steht das Thema Emotionen. Über Gefühle wird im Schulalltag meist nur gesprochen, wenn es Konflikte gibt. Wir wollten zeigen, wie emotionale Gespräche auch unabhängig davon Raum finden können – und wie sie Kinder nicht nur emotional, sondern auch sprachlich stärken.
Denn das Sprechen über Gefühle ist anspruchsvoll: Wenn Kinder Sätze bilden wie „Ich bin traurig, weil …“ oder „Ich denke, dass …“, nutzen sie komplexe sprachliche Strukturen, die zentral für den Erwerb der Bildungssprache sind. Deshalb haben wir Materialien, Gesprächsimpulse und Vorleseempfehlungen entwickelt, die Lehrkräften helfen, Kinder gezielt beim emotionalen und sprachlichen Lernen zu unterstützen.
Sprachförderung in der Grundschule: Alltagssituationen gezielt nutzen
Wie genau läuft bei Ihnen die Zusammenarbeit mit der Praxis ab?
Miriam Langlotz: Das Projekt ist sehr praxisnah angelegt. Wir haben Lehrkräfte fortgebildet und gemeinsam mit ihnen die entwickelten Materialien diskutiert – zum Beispiel Gesprächsanlässe wie den „Wetterbericht der Gefühle“ oder Spiele wie „Emotionstabu“. Wichtig war uns, keine zusätzlichen Aufgaben zu schaffen, sondern Sprachförderung in bestehende Routinen zu integrieren.
Das Projekt „Fühlen-Denken-Sprechen in der Grundschule“
Ein Kooperationsprojekt der Universitäten Braunschweig, Kassel und Lüneburg gefördert durch das BMBF
Kinder lernen Sprache nicht nur über Grammatikregeln, sondern insbesondere durch gute sprachliche Vorbilder. Deshalb regen wir Lehrkräfte an, modellhaft zu sprechen – also eigene Gedanken und Gefühle sprachlich auszudrücken.
Wenn Lehrkräfte etwa im Morgenkreis erzählen, was sie am Wochenende erlebt oder gefühlt haben, geben sie den Kindern sprachliche Muster, an denen diese sich orientieren können.
Eine Lehrkraft aus dem Projekt arbeitet inzwischen sogar in meinem Team an der Universität weiter. Das zeigt, wie bereichernd der Austausch zwischen Forschung und Praxis sein kann.
Emotionen im Unterricht: Kinder erweitern ihren Wortschatz
Was waren Ihre konkreten Ergebnisse, und in welchem Bereich können Ihrer Meinung nach diese Erkenntnisse im Schulalltag besonders hilfreich sein und Grundschullehrkräfte auch ganz konkret unterstützen?
Miriam Langlotz: Ein wichtiges Ergebnis ist das Fortbildungsmaterial selbst, das wir auf Basis von aktuellen Forschungserkenntnissen, wie wirksame Sprachförderung funktioniert, erstellt haben.
Unsere Analysen zur Wirksamkeit der Projekt-Fortbildung zeigen, dass Lehrkräfte nach der Fortbildung deutlich häufiger Emotionen versprachlichen – also Gefühle, die sie bei den Kindern wahrnehmen, in Worte fassen. Dieses sogenannte Parallel-Sprechen schafft wichtige sprachliche Vorbilder und stärkt die emotionale Resonanz.
Dossiers beim Deutscher Bildungsserver
Ein Kooperationsprojekt der Universitäten Braunschweig, Kassel und Lüneburg gefördert durch das BMBF
In Erzählaufgaben können wir beobachten, dass viele Kinder schon in der 2. Klasse über ein situationsspezifisches Emotionsvokabular verfügen und mehrsprachig aufgewachsene Kinder im Emotionswortschatz keinen Nachteil haben.
Wissenstransfer: Wie Forschung Schulen erreicht
Wie machen Sie Ihre Ergebnisse und Materialien in der Schulpraxis bekannt?
Miriam Langlotz: Wir nutzen verschiedene Wege: lokale Medien, den Bildungsklick-Newsletter, Fachtagungen und unseren YouTube-Kanal, auf dem wir kurze Erklärvideos bereitstellen. Außerdem bleiben wir über Netzwerktreffen und Kooperationen mit Schulen im Austausch.
Uns ist wichtig, Forschungsergebnisse nicht nur zu veröffentlichen, sondern sie in die Praxis zu tragen – verständlich, umsetzbar und auf Augenhöhe. Lehrkräfte können sich direkt an uns wenden, wenn sie Fragen haben oder Materialien einsetzen möchten.
Kooperation von Forschung und Schule: Zeit und Austausch sind entscheidend
Was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit zwischen Bildungsforschung und Praxis – und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Miriam Langlotz: Zeit und Ressourcen sind die entscheidenden Faktoren. Lehrkräfte leisten enorm viel und haben oft wenig Freiraum, sich fortzubilden. Dabei ist gerade der regelmäßige Austausch zwischen Forschung und Praxis so wertvoll.
Ich wünsche mir feste Strukturen – zum Beispiel Fortbildungszeiten, die im Schuljahr fest verankert sind, und Foren und Plattformen, auf denen Lehrkräfte, Forschende und Studierende miteinander ins Gespräch kommen. Solche Begegnungen sind nicht nur fachlich gewinnbringend, sondern motivieren auf beiden Seiten.
Herzlichen Dank, Frau Langlotz, für das Gespräch und die spannenden Einblicke in Ihr Projekt „Fühlen, Denken, Sprechen in der Grundschule.“
Miriam Langlotz: Ich danke Ihnen – es hat mich sehr gefreut.
Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Caroline Hartmann für Deutscher Bildungsserver

