Eine Webumgebung für den Unterricht an weiterführenden Schulen
Viele Lehrkräfte werden sich schon gefragt haben, wie sie ihren Schülerinnen und Schülern Medienkompetenz und die Funktionsweise sozialer Netzwerke vermitteln können. Drei Wissenschaftlerinnen haben im Rahmen eines Projekts am TUM Think Tank an der Hochschule für Politik München nun ein digitales Tool entwickelt, mit dem Lehrkräfte junge Menschen dafür sensibilisieren können, wie Plattformen mit ihren Daten umgehen, wie Inhalte einzuordnen sind – und in welchem Maß ihnen die Nutzung sozialer Medien guttut.
Das Lerntool InstaClone ist – wie der Name schon sagt – ein Klon von Instagram, das sich für die Anwendung im Unterricht vollständig steuern lässt. Schülerinnen und Schüler können Algorithmen auswählen und einstellen und so die Mechanismen und die Datensammlung einer Social media-Plattform nachvollziehen.
Für die Entwicklung dieser lebensnahen Webumgebung haben die drei Wissenschaftlerinnen im September den Preis für digitale Didaktik der Prof. Balzert-Stiftung erhalten. Wir haben mit Dr. Anna Hartl, Elena Spörer und Dr. Angelina Voggenreiter von der Technischen Universität München über ihr Tool InstaClone gesprochen
Zum Interview mit Anna Hartl, Elena Spörer und Angelina Voggenreiter
(15 min)
Lesefassung
Guten Tag und herzlich willkommen bei Bildung auf die Ohren, dem Podcast des Deutschen Bildungsservers. Mein Name ist Christine Schumann.
Schon seit längerem ist die exzessive Social media- und Handynutzung unter Jugendlichen ein großes Thema – sei es im Zusammenhang mit mangelnder Konzentrationsfähigkeit, fehlender Medienkompetenz oder negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.
Doch wie kann man Jugendliche dazu befähigen, einen gesunden Umgang mit den Social Media-Plattformen zu finden? Indem sie sich nicht mehr nur als reine Nutzer sehen, sondern sich darüber klar werden, dass sie die zukünftige digitale Welt aktiv mitgestalten können? Ein erster Schritt ist, in der Schule einen reflektierten und verantwortungsbewussten Umgang mit Daten aller Art zu vermitteln.
Drei junge Wissenschaftlerinnen der TU München haben sich das zum Ziel gesetzt und eine Webumgebung geschaffen, in der Schülerinnen und Schüler diese „Data Literacy“ erwerben und ihre Medienkompetenz verbessern können: Das Social Media Tool Instaclone.
Instaclone imitiert Funktionalitäten und das Aussehen von Instagram und zeigt dabei, was im Hintergrund sozialer Medien passiert. Integrierte Dashboards und analytische Funktionen bieten einen Blick hinter die Kulissen von Social Media, und zeigen, welche Daten wie erfasst und verarbeitet werden.
Doch lassen wir das unseren Hörerinnen und Hörern lieber direkt von den drei Wissenschaftlerinnen erklären. Ich freue mich sehr, heute mit Anna Hartl, Elena Spörer und Angelina Voggenreiter von der Technischen Universität München über ihr Tool Instaclone sprechen zu können.
Wer sind Sie und worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt?
Anna Hartl: Vielen Dank für die Einladung. Wir sind drei Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Lehrstühlen: Elena Spörer ist Doktorandin in der Didaktik der Informatik, Angelina Foggenreiter Postdoc in Computational Social Science und ich Postdoc in der Psychologie des Lehrens und Lernens. Unser Projekt heißt InstaClone – ein Instagram-Klon für den Unterricht. Schülerinnen können posten, liken und sich vernetzen, während wir Daten sichtbar machen. Ziel ist, Kompetenzen in Data Literacy und Algorithmic Awareness zu fördern. Lehrkräfte haben ein Admin-Dashboard, um Inhalte zu moderieren. Alles findet in einer geschützten Lernumgebung statt.
Wie ist das Projekt entstanden?
Elena Spörer: Es entstand im Rahmen des Reboot Social Media Labs von TUM Think Tank. Wir wollten Social Media für die Gesellschaft besser machen und haben uns als drei Lehrstühle zusammengeschlossen. Hintergrund: Jugendliche gelten als „Digital Natives“, verstehen aber oft nicht, wie Plattformen funktionieren oder was mit ihren Daten passiert. Lehrkräfte können das Thema meist nur theoretisch behandeln, da echte Plattformen datenschutzrechtlich problematisch sind. InstaClone bietet eine sichere „Spielwiese“, um Social Media praktisch zu erleben.
Wie funktioniert die Anwendung konkret?
Angelina Voggenreiter: Lehrkräfte melden sich bei uns und erhalten eine eigene InstaClone-Umgebung. Schülerinnen können posten und kommentieren – ähnlich wie bei Instagram –, aber nur innerhalb der Klasse. Daten liegen sicher auf Uni-Servern. Es gibt ein digitales Arbeitsheft mit Aufgaben zu Datenschutz, Algorithmen und Filterblasen. Für gelöste Aufgaben gibt es Punkte, mit denen neue Funktionen freigeschaltet werden. Lehrkräfte können Aufgaben anpassen. Zusätzlich gibt es ein Dashboard, das zeigt, welche Daten gespeichert werden, und Funktionen wie personalisierte Werbung, um die Mechanismen hinter Social Media zu verdeutlichen. Wir stellen Materialien bereit: Lehrerhandbuch, Musterlösungen, didaktische Kommentare und für Informatikunterricht auch Datamining-Übungen mit Orange. InstaClone ist flexibel, fächerübergreifend einsetzbar und auch für Lehrkräfte ohne Informatikkenntnisse geeignet.
Sie sagten, die Daten liegen auf Universitätsservern. Nutzen Sie diese auch wissenschaftlich?
Angelina Voggenreiter: Nein, das war uns wichtig: Die Daten gehören den Lehrkräften. Wir haben technisch sichergestellt, dass wir keinen Zugriff haben – außer wenn Lehrkraft und Klasse ausdrücklich zustimmen.
Medienkompetenz beim Deutschen Bildungsserver – auch Social Media
InstaClone ist ja erst kürzlich gestartet. Wie war die Resonanz?
Angelina Voggenreiter: Den Prototypen gibt es seit 2021. Wir haben ihn in Schulen getestet und weiterentwickelt. Seit dem Gewinn des Preises der Gesellschaft für Informatik ist die Nachfrage stark gestiegen. Unser Ziel: breiter Einsatz an vielen Schulen.
Gibt es schon Feedback aus der Praxis?
Elena Spörer: Ja, sehr positiv. Lehrkräfte schätzen, dass sie Social Media sicher im Unterricht nutzen können. Aktuell sind wir mit rund 30 Schulen in Kontakt, einige arbeiten schon seit mehreren Jahren mit uns. Nach dem Preis kamen deutlich mehr Anfragen.
Können Sie das Tool unbegrenzt bereitstellen?
Angelina Voggenreiter: Wir denken groß und prüfen gerade, wie wir InstaClone für bis zu 100.000 Schülerinnen skalieren können. Der Ausbau läuft.
Was wünschen Sie sich für den Transfer zwischen Forschung und Praxis?
Anna Hartl: Wir haben InstaClone von Anfang an mit Lehrkräften entwickelt und viel gelernt – auch durch unerwartete Situationen, wie als ein Schüler das Tool in der ersten Stunde lahmlegte. Rückmeldungen aus der Praxis sind für uns extrem wertvoll und motivierend. Unser Ziel: ein Tool, das fächerübergreifend und einfach einsetzbar ist.
War es schwierig, Schulen für die Tests zu gewinnen?
Anna Hartl: Ja, am Anfang brauchte es Überzeugungsarbeit. Mit Workshops haben wir den Einstieg geschafft, dann wuchs das Interesse stetig.
Angelina Voggenreiter: Lehrkräfte, die interessiert sind, finden Infos unter info.instaclone.de.
(Transkribiert und stark zusammengefasst mit dem AI Companion.)
Elena Spörer ist Doktorandin an der von Tilman Michaeli geleiteten Professur für Didaktik der Informatik. Dr. Angelina Voggenreiter ist Postdoc am Lehrstuhl für Computational Social Science unter der Leitung von Professor Jürgen Pfeffer und Dr. Anna Hartl, Postdoc an der von Doris Holzberger geleiteten Professur für Psychologie des Lehren und Lernens.
Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver
