Tagespolitik schlägt Bildungspolitik? Entwicklungen in Berufsbildung und Hochschulbildung
Podcast zum Jahreswechsel 2022/2023 (2/6)
2022 stand im Zeichen von Krise(n): Corona, Ukraine-Krieg und schließlich die Energiekrise. Häufig scheinen tagesaktuelle Entwicklungen originäre Bildungsthemen überlagert zu haben. Einen Blick auf die Bereiche der Berufsbildung und der Hochschulbildung wirft die zuständige Redakteurin beim Deutschen Bildungsserver, Renate Tilgner.
Lesefassung
Für gewöhnlich verfolgt die Bildungspolitik spezifische Fragestellungen und Entwicklungen, die sich in den jeweiligen Bildungsbereichen ergeben. In jüngerer Zeit änderte sich das. Corona, Ukraine-Krieg und nun die Energiekrise offenbarten Probleme, auf die in allen Bereichen reagiert werden musste.
Zunächst zur Berufsbildung: Betriebsschließungen, Lieferprobleme, Energiekosten und Inflation schwächten die Wirtschaft. Von staatlicher Seite wurde mit finanziellen Mitteln gegengesteuert.
Unter der Krise litt auch die Ausbildung, um Abhilfe zu schaffen, wurde das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ geschaffen, das kleineren Ausbildungsbetrieben Unterstützung gewährte. Für Flüchtlinge aus der Ukraine mussten Regelungen für den Zugang zu Beschäftigung und Ausbildung geschaffen werden.
Nicht aus der Welt sind die Probleme, die Berufsbildung und Ausbildung abseits der akuten Lage beschäftigen. Der anhaltende Trend unter Schulabgängern zum Studium lässt die Ausbildungszahlen sinken und verstärkt den Fachkräftemangel. Bildungspolitisch Verantwortliche sind bestrebt, berufliche Qualifikationen aufzuwerten und haben die „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ ins Leben gerufen, unter der ein Teil der geplanten Maßnahmen firmiert. Vorgesehen sind eine verstärkte schulische Berufsorientierung auch an Gymnasien, eine Verquickung beruflicher und hochschulischer Qualifizierungswege sowie die vermehrte Förderung von Aufstiegsfortbildungen. In einigen Bundesländern ist bereits eine berufliche Ausbildung, die den Erwerb des Abiturs einschließt, unter der Bezeichnung „Berufsabitur“ möglich.
Auch übergreifende Ziele verlangen Aufmerksamkeit, als da wären: die Digitalisierung der Arbeitswelt, Nachhaltigkeit und Ökologie.
Und nun zur Hochschulbildung: Fast über Nacht musste ein Großteil des Hochschulbetriebs in die virtuelle Welt verlagert werden. Um gravierende Folgen aufzufangen, wurden Bewerbungsfristen verschoben, Regelstudienzeiten verlängert oder außerordentliche Förderungen gewährt.
Im SS 2022 wurde an den Universitäten weitgehend Präsenzbetrieb angestrebt, nach den Lockdowns mussten Zugangsregelungen inklusive Abstands-, Masken- oder Impfempfehlungen gestaltet werden. Die Umstellung auf digitalen Betrieb gelang vielerorts besser als erwartet, im Nachhinein wird der Übergang erforscht und bewertet.
Mit dem WS 2022/23 ist weitgehend Normalität eingekehrt, Regelungen zum Nachteilsausgleich sind ausgelaufen. Das verlängerte Infektionsschutzgesetz enthält in den meisten Bundesländern keine spezifischen Regelungen für die Wissenschaft mehr. Mit dem Ukraine-Krieg folgte die nächste Krise und eine Welle der Solidarität mit ukrainischen Wissenschaftlern, zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen wurden lanciert. Beziehungen zu russischen Wissenschaftlern hingegen litten, Kooperationen wurden beendet oder eingefroren.
Ironischerweise stellen neuerliche Maßnahmen jüngste Errungenschaften wieder in Frage. Insbesondere die Aufnahme des Präsenzbetriebs wurde mit großer Erleichterung quittiert und mit ihr ein Stück Normalität zurückgewonnen. Erforderliche Energiesparmaßnahmen führten zu Überlegungen, zumindest teilweise zum Online-Betrieb zurückzukehren. In der Regel wird davon Abstand genommen. Man begnügt sich damit, Raumtemperaturen zu senken oder Bibliotheksöffnungszeiten einzuschränken. Zu den Aufgaben, die auch vor der Krisen schon warteten: Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wird weiter vorangetrieben, die Exzellenzstrategie geht in eine neue Runde und auch die Digitalisierung der Lehre bedarf weiterer Impulse.
Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Renate Tilgner für Deutscher Bildungsserver