Sprachförderung in der Kita: Jede Gelegenheit zum Sprechen nutzen

Interview mit Prof. Dr. Maria von Salisch von der Leuphana Universität Lüneburg und Dr. Oliver Hormann von der TU Braunschweig 

Sprachbildung gehört zu den zentralen Aufgaben von Erzieherinnen und Erziehern in Kitas – doch wie lässt sie sich sinnvoll mit anderen Entwicklungsbereichen wie dem naturwissenschaftlichen Denken und dem Emotionswissen von Kindern verknüpfen?

In dieser Episode von Bildung auf die Ohren, dem Podcast des Deutschen Bildungsservers, stellt Christine Schumann gemeinsam mit Prof. Maria von Salisch und Dr. Oliver Hormann das alltagsintegrierte Fortbildungskonzept „Fühlen, Denken, Sprechen“ vor. Es unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, ihr Gesprächsverhalten gezielt an den Interessen und Sprachniveaus der Kinder auszurichten – für eine ganzheitliche Förderung in der frühen Bildung.

Zum Interview mit Maria von Salisch und Oliver Hormann

(29 min)


Lesefassung

Guten Tag und herzlich willkommen bei Bildung auf die Ohren, dem Podcast des Deutschen Bildungsservers. Mein Name ist Christine Schumann. Heute sind Prof. Maria von Salisch von der Leuphana Universität Lüneburg und Dr. Oliver Hormann von der TU Braunschweig zu Gast in unserer Podcast-Reihe „Bildungsforschung für die Bildungspraxis“.

Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforschen Frau von Salisch und Herr Hormann, wie man alltagsintegrierte Sprachlehrstrategien in der sozialen Interaktion zwischen Erzieherinnen und Erziehern und Vorschulkindern verbessern kann. Dabei verknüpfen die beiden Sprachförderungen mit anderen wichtigen Entwicklungsbereichen wie dem naturwissenschaftlichen Denken und dem Emotionswissen.

Daraus ist das Fortbildungskonzept „Fühlen, Denken, Sprechen“ entstanden. Es vermittelt pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen Wissen und Kompetenzen, um ihr Gesprächsverhalten an den Interessen und Sprachniveaus der Kinder auszurichten und so deren sprachliche, emotionale und wissenschaftliche Kompetenzen zu verbessern.

Ich freue mich, dass Sie beide heute hier sind, liebe Frau von Salisch, lieber Herr Hormann. Am besten, Sie stellen sich und Ihr Projekt unseren Hörerinnen und Hörern mal selbst vor.

Maria von Salisch: Guten Morgen, mein Name ist Maria von Salisch. Ich bin Professorin für Entwicklungspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg, und ich bin hier zusammen mit meinem Kollegen Dr. Oliver Hormann von der TU Braunschweig. Wir sind eine Gruppe von Forschenden, dazu gehören noch Claudia Mähler, Peter Cloos und Katja Koch, die sich mit dem „Fühlen, Denken, Sprechen“-Projekt der BMBF-Initiative „Bildung in Sprache und Schrift“ gefunden haben. Es geht, wie gesagt, um dieses Projekt „Fühlen, Denken, Sprechen“ – eine Fortbildungsreihe für Fachkräfte in der Kita, das wir gemeinsam entwickelt und erprobt haben.

Herr Hormann, mögen Sie sich auch noch kurz vorstellen?

Oliver Hormann: Ja, guten Tag erstmal. Ich bin Oliver Hormann, komme von der TU Braunschweig und wie Frau von Salisch schon gesagt hat, haben wir zusammen mit unseren Kolleginnen ein Projekt entwickelt, das als ein Entwicklungsprojekt angelegt ist. Das heißt, wir haben eine Maßnahme zur altersintegrierten Sprachbildung, eine Fortbildung für Fachkräfte entwickelt, konzipiert und dann ins Feld geführt. Das heißt, so wie man das in der Forschung macht und darauf kommen wir wahrscheinlich später noch zu sprechen, haben wir uns das nicht nur einfach ausgedacht, sondern wir haben auch geprüft, wie tauglich unsere Ideen dann am Ende waren für die Praxis.

Warum „Fühlen, Denken, Sprechen“ im Projektnamen? Das ist ja schon ein sehr auffälliger Name. Was ist das Besondere an der von Ihnen entwickelten Fortbildung zur Sprachförderung?

Maria von Salisch: Der Name ist Programm. Oliver erklärt gleich, was das Programm ist. Genau, also im Grunde genommen macht den Charme dieses Programm natürlich dieser Dreiklang aus Fühlen, Denken, Sprechen aus. Man muss, um das ein bisschen verständlicher zu machen, vielleicht einfach noch mal dieses Projekt verorten in dieser Landschaft der Sprachförderung. Denn wie Sie schon angedeutet haben, handelt es sich um eine alltagsintegrierte Form der Sprachförderung.

Oliver Hormann: In Deutschland ist es so, dass wir auf dem Sprachfördermarkt, so nenne ich das jetzt mal, verschiedene Arten von Fortbildungen und Programmen haben, die miteinander teilweise auch konkurrieren im besten Sinne, aber jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen. In der Folge von PISA 2000 bis 2010, da gab es ja mehrere Untersuchungen zu den Leistungen von Schülern in Deutschland, hat sich diese Schockwelle nicht nur in das Schulsystem ergossen, sondern im Prinzip auch in die frühkindliche Bildung, weil man gesehen hat, dass die Kompetenzen, die den Schülerinnen und Schülern fehlen, insbesondere solcher Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, am besten schon vorher gefördert werden können. Wie es damals eben so war, hat man relativ viel Geld in die Hand genommen und noch nicht sehr viele ausgearbeitete und für die Anwendung geeignete Konzepte gehabt, sodass es erst mal so etwas wie eine additive Sprachförderung gab. Das waren so Sprachfördermaßnahmen, die abseits des normalen Kita-Alltags angewendet wurden – in kleinen Gruppen mit ausgefeilten Materialien, die sehr spezifische sprachstrukturelle Elemente herausgegriffen haben, die man dann gezielt und in einer bestimmten Abfolge mit den Kindern geübt hat, die aber, da fängt jetzt sozusagen unsere Geschichte an, nicht besonders positiv evaluiert wurden.

Das Projekt Fühlen – Denken -Sprechen

Also es war die erste Erkenntnis in der Forschung, dass das, was diese additiven Programme anbieten, für sich genommen noch nicht ausreicht. Und da haben sich dann Initiativen gebildet, unter anderem unsere, die sich mit der Frage beschäftigt haben: Kann man das, was wir über Sprachförderung wissen, nicht vielleicht auch in den gesamten Kita-Alltag bringen? Und das bringt bestimmte Herausforderungen mit sich, die wir in dem Projekt auf eine bestimmte Art und Weise angegangen sind. Und zu diesen Herausforderungen gehört, dass – Sie haben es vorhin schon gesagt-, dass wir diese Sprachlernstrategien eben so in den Alltag einbringen, dass sie nicht stören. Vor allen Dingen, dass sie mit den Alltagsaktivitäten und mit normalen Gesprächen vereinbar sind.

Also man kann sich vorstellen, dass, wenn man das Ziel hat, Kinder sprachlich gezielt zu fördern, dass man in so einen Duktus des Sprechens reinkommt, das eine richtige Therapie werden kann. Und das merken die Kinder. Und das ist keine günstige Haltung, um Sprache zu erlernen, sondern das, was Kinder in dem Alter können, ist, implizit Sprache zu erwerben. Wir können das nicht mehr. Ab einem gewissen Alter hört das dann auf. Meistens so mit Beginn der Schulzeit setzen diese impliziten Erwerbsmechanismen aus. Aber vorher kann man das noch so machen. Wir alle wissen nicht, wie wir Sprache gelernt haben. Das ist kein bewusster Akt gewesen. Und das können wir auch nutzen. Dafür müssen aber die Gespräche so natürlich wie möglich sein.

So, das ist ein wichtiger Aspekt bei uns in dem Projekt gewesen – die Techniken, die man ansonsten in so Fördersituationen, expliziten Fördersituationen angewendet hat, alltagstauglich zu machen. Und das bedeutet, wir haben im Schwerpunkt der Fortbildung die Fachkräfte dazu befähigt, Dialoge zu nutzen. Und da kommt dann auch das Emotionswissen zum Beispiel ins Spiel. Dialoge, die für die Kinder interessant sind und die Sprachlehrstrategien damit zu verflechten. Und ich glaube, dass das eines der wesentlichen Kernmerkmale dieser Fortbildung ist – die Dialogorientierung. Wir haben alles sozusagen an dem Ziel ausgerichtet, echte, alltagsintegrierte Sprachbildung zu inszenieren. Das ist etwas, was die Kinder brauchen, denn sie können sich vorstellen, die sprachlichen Regeln für sich genommen bringen uns noch nicht viel weiter im Gespräch.

Was wichtig ist für Kinder, ist, dass sie zu diesen Strukturen, zu den Formen der Sprache auch die Funktionen kennenlernen. Und das kann man nur in länger anhaltenden Dialogen. Dann lernen die Kinder, wozu brauchen wir die Sprache. Und das Schöne ist, Dialoge für sich genommen haben noch ein Mehrwert für den Spracherwerb, denn das merken sie, wenn sie mit Personen länger im Gespräch sind. Je länger sie mit ihnen kommunizieren über ein und dasselbe Thema, desto stärker nehmen sie im Gespräch, in dem was sie sagen, auf das Sprachliche, das was die andere Person gesagt hat, Bezug. Das heißt, Sprache hat eine gewisse Selbstreferenzialität, so nennen wir das in der Forschung. Und wir können das auch als eine Art von repräsentativer Sprache bezeichnen. Das heißt, die Kinder konzentrieren sich auf die Sprache, nicht auf das, was mit der Sprache bezeichnet wird. Nicht auf den Ball, die Tür, sondern auf das Wort, die Grammatik.

Das ist vielleicht jetzt auch eine ganz gute Überleitung zu meiner nächsten Frage. Es gibt nämlich auch noch ein Projekt, das auch genauso heißt – „Fühlen, Denken, Sprechen“, das sich aber mit der Sprachförderung in der Grundschule beschäftigt. Wie gehören denn diese beiden Vorhaben zusammen?

Sie sagten natürlich schon, möglichst lange Dialoge, damit die Kinder auch lange sprechen können und sich dann mit ihren Gefühlen und ihrem Wissen auch auseinandersetzen. Ist das so die Überleitung auch für den Schulbereich in der Sprachförderung oder geht es da eher in eine andere Richtung?

Oliver Hormann: Also, da geht es natürlich um diese Verknüpfung. Und Frau von Salisch wird gleich noch mehr, vor allem zum Thema Emotionen, sagen und welche Rolle Emotionen spielen. Das ist nämlich ganz wichtig für unsere Fortbildung in beiden Bereichen gewesen, dass Emotionen, das wissen wir, besonders interessant für Kinder sind. Aber diese Verknüpfung aus Sprache und Gefühlen hat sich in der Fortbildung im Elementarbereich so bewährt aus unserer Sicht, dass wir versucht haben, das auch in die Schule mit rüber zu tragen – als Institution völlig andere Rahmenbedingungen, aber für Kinder, die gerade im Übergangsbereich sich befinden.

Das heißt, wir adressieren mit der Fortbildung jetzt nicht die vierte, fünfte, sechste Klasse. Im Sekundarbereich sind wir überhaupt nicht unterwegs, sondern in der Schuleingangsphase. Da sind für die Kinder einfach so viele Umstellungen wichtig. Die lernen neue Freunde kennen und so weiter und so fort. Wissen Sie, mit Unterrichtssituationen und Stress, dass Emotionen und deren Ausdrucksmöglichkeiten besonders zentral sind für das Gelingen der Schulkarriere.

Nur der Unterschied zur Sprachförderung im Elementarbereich ist, dass wir noch weitere Ziele haben. Im Elementarbereich ist es so: Wir bringen ja die Kinder im Grunde genommen dazu, den normalen Spracherwerb bis zum Schulbeginn möglichst schnell und gelingend zu absolvieren. Jedes Kind soll bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Beispiel die Verblättstellung im Nebensatz gelernt haben. Das ist ein Meilenstein, den wir alle irgendwann durchlaufen müssen, um kommunizieren zu können. In der Schule kommt aber hinzu: Die Sprache erfüllt nicht nur den Selbstzweck, sich mitzuteilen, sondern soll die Teilhabe am Unterricht sichern. Und, zweite Herausforderung, die Sprache, die wir in der Schule sprechen, ist eine andere als die, die wir in der Kita beispielsweise oder außerhalb der Schule sprechen. Das ist eine Form von Sprache, wir bezeichnen das als ein Register der Bildungssprache oder ich nenne es lieber Schulsprache. Also genau die Sprache, die man für den Unterricht braucht.

Meine Kollegin Caroline Hartmann wird auch noch ein Interview führen mit ihren Kollegen und Kolleginnen aus dem Projekt für den Schulbereich. Also das wird dann der zweite Teil quasi werden dieses Podcast.

Aber jetzt noch mal zurück zur Sprachförderung in den Kindertagesstätten und zu dem Thema Emotion. Frau von Salisch, was bietet denn Ihr Fortbildungskonzept, was andere Fortbildungen so nicht bieten? Vielleicht können Sie das noch mal ein bisschen präzisieren.

Maria von Salisch: Unser Fortbildungsangebot ist modular aufgebaut. Es sind Module, die aufeinander aufbauen. Es fängt an mit den Sprachlehrstrategien. Da wird eine überschaubare Anzahl von Sprachlehrstrategien vorgestellt, erprobt im Gespräch mit den Kindern und deren Anwendung im dialogischen Lesen von Bilderbüchern, bei Mahlzeiten, anderen Gruppensituationen, Morgenkreis, beim Spielen und auch in Routinesituationen, also auch in Einzelsettings wie Toilettengängen oder Anziehen der Schneeanzüge.

Das wird verknüpft mit Emotionen. Sie wissen ja, so ein Reißverschluss kann ziemlich klemmen von so einem Schneeanzug und da wird beispielsweise die Strategie des parallelen Sprechens gebraucht: „Oh, verflixt dieser klemmende Reißverschluss. Jetzt kannst du ja gar nicht so schnell rausgehen, wie du möchtest.“ So etwas in der Art. Ein Sprachangebot zu bieten, was implizit sofort erfassbar ist für die Kinder, denn sie wissen, ein Reißverschluss ist ganz konkret in der Hand und die Situation ist auch klar. Damit erweitert man die Möglichkeiten der Sprachförderung, weil das Motto ist, jede Gelegenheit nutzen. Geplante wie auch ungeplante Gelegenheiten. Geplante Gelegenheiten, wie Bilderbuchlesen, sind vielen vertraut, dialogisches Lesen von Bilderbüchern. Aber es geht darüber hinaus, eben auch darum ungeplante Situationen zu nutzen – während Mahlzeiten, in Wartesituationen, im öffentlichen Nahverkehr, wenn man da längere Zeit unterwegs ist zu irgendeinem Ziel.

Das Besondere an unserem Angebot ist eben die Kombination von Sprachförderung und Emotionswissen der Kinder. Für beides haben wir einen Nachweis der Wirksamkeit. Wir wissen, dass das, was wir den Erziehern nahebringen, dass das auch wirkt. „Je mehr, desto besser“ ist das Wirkprinzip hier. Es geht darum, viele Gelegenheiten zu schaffen der Sprachförderung.

Wie genau wirkt denn die Wortbildung oder diese Intervention, die Sie für Erzieherinnen entwickelt haben?

Genauer untersucht in der Forschung ist beziehungsweise wir sind gerade dabei, das Papier heißt „It Takes Two to Tango“ – also man braucht beide, sowohl die Kinder als auch die Fachkräfte. Es geht um die Veränderung des Interaktionsverhaltens der Fachkräfte, also deren Nutzung von Sprachlehrstrategien, bei Gelegenheiten, die die Kinder einbetten.

Nachfrage, machen Erzieherinnen das nicht eh schon?

Maria von Salisch: Natürlich machen sie es eh schon, genau wie Eltern. Aber vielleicht kann man es noch häufiger machen und noch optimieren. Wichtig ist eben auch die Beiläufigkeit, dass man das nicht mit erhobenem Zeigefinger macht, sondern es darum geht, Fehler der Kinder beiläufig zu korrigieren, ohne ihren Redefluss zu behindern. Schon Emotionen als Thema aufzugreifen ist wichtig, weil es den Kindern signalisiert, dass sie darüber sprechen können. In manchen Elternhäusern ist das ja nicht der Fall. Viele Gespräche über Gefühle und anderes verbessert sowohl die Sprachfähigkeiten als auch das Emotionswissen der Kinder.

Wir haben festgestellt, dass die Interaktionsqualität der Fachkräfte entscheidend ist. Und zwar – das ist besonders an unserer Fortbildung, dass wir den Nachweis bringen, dass es entscheidend ist für den Fortschritt der Kinder in diesen Bereichen.

Ja, das ist wirklich wichtig. Ich erinnere mich auch noch an dieses Entsetzen nach diesen vielen Sprachförderungsprogrammen in Kindertageseinrichtungen, dass es nicht evidenzbasiert ist, dass sie tatsächlich auch was taugen. Daraufhin wurde ja dann auch BISSTransfer und so gegründet. Insofern ist es ja schön, von jeder Fortbildung zu hören, die tatsächlich auch positive Auswirkungen hat und sowohl den Kindern als auch den Erzieherinnen und Erziehern weiterhilft.

Inwieweit haben Sie denn bei dem Entwickeln der Fortbildung auf die Belange der Erzieherinnen reagiert? Haben Sie Anregungen oder Ideen aus deren Alltag aufgenommen? Wie ist die Verflechtung zwischen Ihrem Forschungsansatz und dem Bedarf, der aus der Praxis vielleicht angefragt wird oder der einfach da ist?

Oliver Hormann: Wir haben das über mehrere Punkte im Grunde genommen in unser Fortbildungskonzept mit aufgenommen. Das Interesse der Praxis war für uns von Anfang an sichtbar. Wir haben natürlich im Vorfeld Gespräche geführt mit potenziellen Kandidaten, damit meine ich jetzt Einrichtungen, Kindertageseinrichtungen, die Interesse daran hatten, an unserem Projekt teilzunehmen. In allen Einrichtungen wurde sofort sichtbar, dass es für beide Themenbereiche und die Verknüpfung, also Sprechen, Fühlen, Denken sicherlich auch, Interesse gibt, einen Bedarf gibt an Fortbildung, also ein wahrgenommenes Bedürfnis auch seitens der Kinder, diese Bereiche zu fördern. Das haben wir auch später noch einmal evaluiert und konkret gefragt, ob sich die Erzieherinnen jetzt auch rückblickend – das wurde also relativ zum Ende dieser Fortbildungsreihe erfragt – rückblickend noch einmal daran erinnern wollen, wie die Ausgangssituation damals eigentlich war. Und die haben die Notwendigkeit der Fortbildung allesamt als hoch eingeschätzt. Also es gab ganz wenige Personen, die gesagt haben, das sei eigentlich kein relevantes Thema für ihren Arbeitsbereich.

Und wir sind dann darüber hinausgegangen, nachdem wir also im Grunde genommen die grundlegende Bereitschaft der Fachkräfte, sich mit diesem Thema auch wirklich produktiv auseinanderzusetzen, das ist nämlich ganz wichtig, dass man es denen nicht nur in der Praxis überstülpt, was wir uns so vorstellen, was sie gut machen könnten, sondern dass sie das auch annehmen. Danach haben wir uns auch im Rahmen von ersten Videoaufnahmen, die wir in den Einrichtungen gemacht haben – diese Videoaufnahmen haben wir vor und nach der Fortbildung gemacht -, haben wir uns angesehen und eben festgestellt: Woran könnte es denn hapern, dass die Techniken der Sprachförderung oder der Förderung des Emotionswissens bisher noch nicht so umgesetzt haben, wie wir uns das vorgestellt haben.

Denn man muss sich das so vorstellen: In der Kindertageseinrichtung befinden sich Leute, die dieses Geschäft schon seit mehreren Jahren betreiben. Und auch Kinder, die schon mehrere Jahre in dieser Kita sind. Und da mit dem Anspruch reinzugehen, jetzt mal hoppla hopp, die Praxis zu verändern, ist nicht sehr aussichtsreich. Man muss also die Fachkräfte da mitnehmen, wo sie selbst das Empfinden haben, nicht mehr weiterzukommen. Und da waren solche Aufnahmen und Eindrücke in der ersten Zeit sehr wichtig; die konnten wir sozusagen in die spätere Module mit einbauen, wo es ganz konkret darum ging, wie bringen wir eigentlich unsere Techniken in den Alltag, in verschiedene Bereiche. Wir wollten ja in alle Ecken der Kita.Wir hatten so zwei zentrale, wir nennen das Settings, das sind so Kontexte, auf die wir unsere Inhalte bezogen haben, das war immer das gemeinsame Essen und eine Buchbetrachtung. Das sind auch relativ klassische Kontexte, in denen man Sprachförderung gut durchführen kann.

Aber wir wollten ja, wie Frau von Salisch schon vorhin gesagt hat, auch die Fachkräfte in die Lage versetzen, beim Zähneputzen, Anziehen, Spielen, also Freispiele sind ein großer Bereich in der Kita und verfügen über eine Menge Zeit; diese Zeit besser zu nutzen für Sprachförderung und Förderung des Emotionswissens. Und diese Barrieren, die wir entdeckt haben, die konnten wir tatsächlich produktiv nutzen. Also zu den Barrieren zählen jetzt nicht nur physische Barrieren, wenn man daran denkt, auch die sind natürlich vorhanden, man kann nicht alles an jedem Ort machen, weil zum Beispiel für ein Buchlesen eine gewisse Stimmung da sein muss, es muss Ruhe herrschen, man muss sich bequem hinsetzen können, all solche Dinge, sondern viele Barrieren sind im Kopf und das haben wir Orientierungsrahmen genannt.

Also wir gehen in eine pädagogische Situation, das machen Eltern im übrigen genauso, aber Erzieher natürlich auch, die machen das mit einem professionellen Rahmen und dieser Rahmen wird dadurch ausgezeichnet, dass er bestimmte Erwartungen beinhaltet, wie man in der Situation agieren kann. Ich mache mal ein Beispiel, es gibt, das ist uns aufgefallen, in Kitas ganz unterschiedliche Regeln, was das Essen angeht. Es gibt zum Beispiel Kitas, da darf die Fachkraft oder soll die Fachkraft mit am Tisch sitzen, ganz normal, so wie beim Abendessen oder Mittagessen mit den Kindern plaudern. Es gibt aber auch Einrichtungen, da sind die Fachkräfte mit ganz anderen Dingen beschäftigt und haben auch die Aufgabe sich zum Beispiel das Essen auf den Tisch stellen, dafür Sorge zu tragen, dass jedes Kind einen vollen Teller hat, ein volles Glas. Es gibt auch Personen, die denken, naja, vielleicht sollte man beim Essen essen und nicht reden. Also das, was wir eigentlich wollten, eine Vereinbarkeit zwischen Alltagsverrichtung und Förderung, einfach erstmal für sich, nicht gerade bewusst, mussten wir irgendwie ausschließen.

Und da sind wir auch mit der Fortbildung reingegangen und haben diese Orientierungsrahmen verändert und gleichzeitig gemerkt, das prägt was. Und die hatten zuletzt auch die Möglichkeit in sogenannten Coachings auf uns und unsere Vorstellung wieder einzugehen. Wir haben umgekehrt erfahren von denen, woran es noch hapert. Die konnten uns also in der Zwischenzeit nach bestimmten Moduleinheiten und der Aufgabe, die mal in die Praxis umzusetzen, eine Rückmeldung geben, wie es nun gelungen ist. Das war für uns auch ganz wichtig, um nochmal individuell nachzusteuern. Wenn die das Gefühl hatten, so richtig hat das noch nicht geklappt.

Das klingt nach einer relativ engen Zusammenarbeit und auch einer sehr intensiven. Ich frage mich immer, wenn wissenschaftlich fundierte Fortbildungen entwickelt werden, auch ganz eng zusammen mit den Leuten aus der Praxis, wie wird es skaliert? Wo können denn andere Einrichtungen von dieser Fortbildung quasi profitieren? Wo kann man sich anmelden? Wie kriegt man es in die Fläche?

Maria von Salisch: Das ist für uns als Hochschullehrende natürlich ein ungewohntes Terrain. Das ist nicht Teil unserer Lehre. Wir können es natürlich auch an die Studierenden des Lehramts oder weiterführende Berufschulen für Sozialpädagogik vermitteln. Da geht es über die in die Ausbildungsstätten für Fachkräfte hinein. Wir haben aber auch unser Open Access Buch Fühlen, Denken, Sprechen. Einfach googeln und dann kriegen Sie den Open Access Code genannt. Aber wir würden das gerne auch weiterentwickeln. Es gibt keinen Ort im Moment, wo man es erwerben kann. Man kann sich orientieren in dem Buch und wir würden es gerne weiterentwickeln mit einem Kita-Träger oder mit einer kommunalen Bildungsverwaltung. 

Das heißt, Leute, die jetzt vielleicht unseren Podcast hören, unsere Folge und Interesse haben, können sich dann gerne mal bei Ihnen auch direkt melden.

Bei Ihnen, Frau von Salisch?

Maria von Salisch: Genau.

Wunderbar.

Maria von Salisch: Genau, und dann sehen wir weiter und überlegen, wie man das Fortbildungsprogramm jetzt noch mal verbessern und ob die Bedürfnisse Ihrer genauen Klientel anpassen kann.

Das ist ja erfreulich oder ein gutes Angebot. Ich hoffe, es hören und nehmen viele Hörerinnen und Hörer an.

Herr Hormann, Sie hatten das ja eben schon gesagt, dass es aus der Praxis doch irgendwie auch ein gutes Feedback gab, dass die Erzieherinnen durchaus gesagt haben, ja, diese Interventionen, die helfen uns sehr, sehr weiter. Was gab es denn noch für ein Feedback?

Oliver Hormann: Also, wir haben im Grunde genommen versucht, dieses Feedback, das wir nach der Fortbildung ganz gerne erhalten wollten von den Fachkräften, versucht ganz systematisch zu erheben und zwar auf zwei Weisen: Das eine war, dass wir die Fachkräfte konkret befragt haben, danach, wie gut ihnen die Fortbildung gefallen hat und zwar auch ganz konkret nach einzelnen Bausteinen und Förderelementen. Zum einen fanden sie das umsetzbar, nützlich, relevant. Das waren so wichtige Aspekte. Hatten sie den Eindruck, dass sie mit Hilfe unserer Techniken ihren Alltag wirksam verändern konnten? Und da haben wir auch eine breite Zustimmung erfahren.

Also, ich habe mir das nochmal jetzt im Vorbereitungs-Podcast angesehen in unserem Buch, das Frau von Salisch gerade erwähnt hat, und bin auch nach wie vor ganz angetan von der hohen Zustimmung, die wir zu fast allen Elementen bekommen haben. Das ist nicht selbstverständlich, dass Fachkräfte, nachdem sie so eine Fortbildung gemacht haben, viel Zeit investiert haben, Nerven gelassen haben auf dem Weg, sich anschließend so positiv äußern. Es ist nicht selbstverständlich, dass Fachkräfte, die schon 20, 30 Jahre im Job sind, dann nochmal anfangen und ihre ganzen Routinen verändern. Das ist aber natürlich mit ein bisschen Bias verbunden; so nennen wir eine Verzerrung, wenn Leute sagen, es hat ihnen gefallen, dann kann man als Wissenschaftler in sich nicht ganz sicher sein, ob da nicht eventuell auch der Wunsch, dass die Erfahrung tatsächlich positiv war, die Ergebnisse positiv verzerrt hat.

Frau von Salisch, Sie melden sich. Sie wollten dazu noch was sagen oder ergänzen?

Maria von Salisch: Wichtig war, dass die Fachkräfte Spaß hatten, längere Unterhaltungen mit den Kindern zu führen. Auch etwas schüchterne Kinder ins Gespräch zu führen. Mehr sich über Gefühle auszutauschen. Also, dass das ihre Arbeit bereichert hat und angenehmer gemacht hat. Diese Gespräche haben ihnen einfach Spaß gemacht. Das ist ja eigentlich die beste Motivation, sowas auch auf Dauer beizubehalten.

Das stimmt. Wenn Sie jetzt an das Thema Transfer zwischen Forschung und Praxis und vice versa denken, was würde Ihre wissenschaftliche Arbeit bereichern?

Oliver Hormann: Ich wollte noch einen Punkt vielleicht gerade ergänzen, der ist hintenüber gefallen. Das ist mir ganz wichtig. Das war der eine Weg, den wir gewählt haben, um die Fachkräfte daraufhin zu interviewen, wie sie selbst den Erfolg bewerten, der Fortbildung. Das war positiv.

Aber wir haben noch zusätzlich natürlich die Videoaufnahmen zu dem Zeitpunkt nach der Fortbildung genommen, um zu schauen, im Vorher-Nachher-Vergleich, haben wir tatsächlich das, was uns wichtig war, auch verändern können. Das, was die Leute in der Praxis zeigen, ist nämlich nicht so sehr unter Kontrolle, wie das, was wir auf dem Fragebogen beantworten. Da können sie sozusagen nicht schummeln. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass die Fachkräfte sich in ganz wesentlichem Maße in der Praxis, in dem, was sie tun, wie sie es umsetzen, verändert haben. In dem Sinne, wie wir das mit der Fortbildung auch intendiert haben.

Ich habe vorhin von Orientierungsrahmen gesprochen. Das waren im Grunde genommen drei unterschiedliche Orientierungsrahmen, die wir unterschieden haben. Ich erwähne das nur kurz, damit man sich das ein bisschen besser vorstellen kann. „Ablauforientierung“ war der erste. Dann gab es eine sogenannte „Lernorientierung“ und „Bildungsorientierung“. Das letzte war uns sozusagen das Wichtigste, dass Fachkräfte lernen, sich bildungswirksam mit den Kindern auseinanderzusetzen, sie in die Interaktion mit einzubeziehen als gleichwertige Gesprächspartner. Das ist zum zweiten Messzeitpunkt angestiegen. Der Anteil der Situationen, in denen das gelungen ist und die ungünstigen Situationen, das, was wir unter Ablauforientierung besprechen, das hat deutlich abgenommen. Das ist praktisch auf Null gegangen in den Interventionseinrichtungen. Das ist aus meiner Sicht ein ganz verblüffend deutlicher Nachweis dafür, dass wir in diese entscheidende Schnittstelle Interaktion reingekommen sind mit der Fortbildung.

Das ist in der Tat ziemlich beeindruckend, wenn Sie das so nochmal zusammenfassen. Jetzt nochmal zurück mit Blick auf die Zeit, auf die letzte Frage, die ich eben schon mal formuliert hatte. 

Wie denken Sie über das Thema Transfer zwischen Forschung und denken? Was würde Ihre wissenschaftliche Arbeit bereichern? Beziehungsweise wie könnte das noch besser laufen, der Transfer von Praxis zu Wissenschaft und umgekehrt?

Oliver Hormann: Also im Grunde genommen, die einfache Antwort ist Geld. Wir brauchen tatsächlich Geld, um Arbeitszeit, um Mittel zu haben, die Praxis, die wir jetzt als gelingend identifiziert haben, zu skalieren – das heißt tatsächlich auszurollen auf ein Feld.

Denn natürlich haben wir hier bestimmte Einrichtungen gehabt, die wir auch ganz besonders gut versorgt haben. Und für uns ist natürlich auch interessant zu sehen, würde so etwas auch im großen Maßstab funktionieren. Und wo können wir noch besser werden? Und das ist aber etwas, was wir nicht alleine in der Hand haben. Es scheitert nicht an unserem Wunsch, das so zu tun, sondern meistens an der Zeit und an Mitteln. Das heißt, da fehlen dann Stellen und schlicht und ergreifend der Einsatz von finanziellen Mitteln, um Material zu erstellen, das nochmal unter verschiedenen anderen Bedingungen zu testen, was bisher gut evaluiert wurde. Solche Sachen finde ich ganz wichtig.

Und natürlich auf der Seite der Abnehmer ein starkes Interesse, wobei ich mich in deren Lage auch hineinversetze. Der Markt, das haben wir ja festgestellt, ist sehr bunt. Und es ist auch nicht unbedingt leicht, für Einrichtungen festzustellen, welches Programm ist denn besonders geeignet. Also auch da ein stärkerer Kontakt, vielleicht so etwas wie eine Kontaktbörse herzustellen. Ich weiß, dass es schwierig ist, aber es gibt ja so verschiedene Foren, die man dafür nutzen könnte. Die, was weiß ich, so etwas wie seinerzeit der Bildungsgipfel. Da haben wir Leute kennengelernt aus der Praxis, die sich einfach für unsere Arbeit damals, für das Folgeprojekt interessiert haben. Das wünsche ich mir mehr.

Maria von Salisch: Eine der Ideen dabei ist beispielsweise, die Fortbildung zu einem Webinar zu machen, sodass Fachkräfte das zu den Zeiten, zu denen sie können, absolvieren können. Und dann sich das stärker zu digitalisieren, damit man nicht überall selber hinfahren muss, was immer extrem kostenmäßig ungünstig ist.

Wobei das natürlich manchmal auch nicht so ganz einfach ist. So eine digitale Fortbildung ist etwas anderes, als wenn man direkt in der Auseinandersetzung und im Gespräch mit den Fortbildern ist.

Maria von Salisch: Auf jeden Fall, da bin ich ganz bei Ihnen. Die Frage ist, wie man die Elemente kombinieren kann, wie man Informationselemente mit eher interaktiven Elementen kombinieren kann. Und Video-Coaching und so weiter, das haben wir ausprobiert. Das würden wir jetzt gerne noch mal optimieren in Zusammenarbeit mit einem Träger oder einer kommunalen Bildungsverwaltung.

Vielen Dank. Ich danke Ihnen, Frau von Salisch, Herr Hormann. Das war sehr interessant. Ich kann nur hoffen, dass Träger und Kita-Leitungen zugehört haben bei diesem Podcast und vielleicht Interesse haben, diese Fortbildung bei sich umzusetzen. Träger wären natürlich spitze.

Also melden Sie sich bei Frau von Salisch. Sie wird dann versuchen, was möglich ist, an Anpassungen und an direkten Unterstützungsmöglichkeiten.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch, Frau von Salisch und Herr Hormann.

Oliver Hormann: Vielen Dank.

(Transcribed by Voice AI. Wir haben das Interview für eine bessere Lesbarkeit geglättet.)


Dieser Podcast steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver



spotifybadge_schwarz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert