„Wir wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Nutzung von Forschungsdaten so einfach wie möglich machen“

Die Online-Diskussionsplattform Forum4MICA – ein Angebot der Forschungsdateninfrastruktur

Das Forum4MICA ist ein Service mehrerer Partner aus dem Bereich der Forschungsdateninfrastruktur, die sich im Rahmen eines Projekts des Konsortiums für die Sozial-, Bildungs-, Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften auf eine Zusammenarbeit verständigt haben. Nach einer Probephase ist das Forum seit Januar 2024 am Start.

Porträtfoto Dr. Daniel FußINTERVIEW mit Dr. Daniel Fuß, der für den Aufbau und Betrieb der Online-Diskussionsplattform Forum4MICA mitverantwortlich ist – ein Service mehrerer Partner aus dem Bereich der Forschungsdateninfrastruktur. Im Forum4MICA können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Forschungsdaten aus den Sozial-, Bildungs-, Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften nachnutzen, direkt mit den Datenanbietern austauschen, nach Informationen suchen und eigene Beiträge erstellen. Am Anfang 2024 nach einem Probebetrieb gestarteten Forum wirken derzeit 16 von insgesamt 41 akkreditierten Forschungsdatenzentren (FDZ) sowie zwei weitere Partner aktiv mit. Mit über 100.000 Seitenaufrufen und ca. 100 neu registrierten Nutzerinnen und Nutzern kann sich die Online-Diskussionsplattform sehen lassen. Doch das soll erst der Anfang sein. Im Interview berichtet Daniel Fuß von geplanten Weiterentwicklungen, von Lücken, die im Umgang mit Forschungsdaten geschlossen werden sollen, und dem Potenzial, das das Forum4MICA für die Zusammenarbeit von FDZ-Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern über Einrichtungen hinweg bietet.

Herr Fuß, warum wurde das Forum4MICA eingerichtet – und was bedeutet eigentlich der Name?

Daniel Fuß: Das Forum4MICA ist ein klassisches Online-Austauschforum für Fragen, Antworten und Diskussionen rund um Forschungsdaten. Die Bezeichnung ist doppeldeutig: „MICA“ steht einerseits als Akronym für Making Information Commonly Available – also für Transparenz. Die Informationen im Forum sind für alle recherchierbar und sichtbar. Andererseits ist „Formica“ die lateinische Bezeichnung für die Ameise, die sich KonsortSWD – also unser Konsortium innerhalb der NFDI, der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur – als Symbol auserkoren hat.

Forum4MICA ist ein virtueller Ort, an dem sich Datennutzende und Datenanbietende austauschen können.

Vorläufer für das Forum4MICA war das sogenannte NEPS-Forum, bei dem wir den Informationsaustausch zu den Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) schon testen konnten. Und die Erfahrungen waren insgesamt positiv, sodass wir das Forum auf eine breitere Basis stellen wollten. Nach einer einjährigen Testphase sind wir nun seit Anfang 2024 im regulären Betrieb und öffnen den Raum auch für andere Anbieter von Forschungsdaten, also insbesondere für Forschungsdatenzentren. Denn letztlich wollen wir eine möglichst breite Community ansprechen!

Waren die bisherigen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den jeweiligen Forschungsdatenzentren nicht ausreichend?

Daniel Fuß: Alle Forschungsdatenzentren, die einen Beratungsservice anbieten, haben ein E-Mail-Kontaktformular oder eine Funktionsadresse – da ist die Interaktion aber ganz klassisch bilateral. Es gibt einen Fragesteller und es gibt eine Antwort und niemand sonst bekommt von dieser Kommunikation etwas mit. Nun ist es aber häufig so, dass sich Fragen auf ähnliche Themen beziehen und die Antwort immer wieder aufs Neue formuliert werden muss. Wir wollten aber auch keine klassische FAQ-Listen als Lösung anbieten, da diese bekannterweise schnell veralten und sehr statisch sind. Wir wollten etwas Dynamischeres – und ein Forum ist viel interaktiver. Die Fragen bzw. Nachfragen werden direkt gestellt und die Kolleginnen und Kollegen aus den Forschungsdatenzentren können unmittelbar darauf reagieren.

„Unsere Hoffnung ist, dass es perspektivisch nicht nur bei einer Frage-Antwort-Kommunikation bleibt, sondern ein umfassenderer Diskurs entsteht.“

So kann beispielsweise ein Aktualisierungsbedarf im Forum angeregt und dort auch gleich abgehandelt werden. Und weil die Forumsbeiträge chronologisch geordnet sind, kann jede Person gut nachvollziehen, wie sich ein Dialog entsponnen hat. Außerdem können sich Dritte, also zum Beispiel andere Datennutzende oder Interessierte, in einen solchen Diskurs einbringen.

Und entsteht dieser Diskurs? Wie sind ihre Erfahrungen?

Daniel Fuß: Es gibt einige Themen, bei denen sich tatsächlich mehrere Diskutanten am Austausch beteiligen. Im Moment ist das aber noch eher die Ausnahme. Da gilt es noch, gewisse Hemmschwellen zu überwinden. Das ist für uns auch nicht überraschend, denn im Moment befindet sich das Ganze in der Entwicklung. Das Forum muss erst eine gewisse Reputation erlangen, damit es auch in der angedachten Breite angenommen wird. Damit da noch mehr Aktivität reinkommt, haben wir für die nächste Förderphase von KonsortSWD weitere Projektmittel beantragt.

Wie wollen Sie eine aktive Mitarbeit im Forum erreichen?

Daniel Fuß: Zum einen geht es um Wertschätzung für ein aktives Mitmachen. Wir sind gerade dabei, ein Anreizsystem zu schaffen, das auch Badges, also kleine Symbolabzeichen für Einsteiger bis hin zu Experten, beinhaltet. Dann wollen wir bestimmte Formate wie das Austauschen von Syntax stärker in das Forum4MICA integrieren. Ein Beispiel: Eine Wissenschaftlerin arbeitet mit einem SOEP- oder NEPS-Datensatz und bittet um Unterstützung beim Aufbereiten eines konkreten Datensatzes. Ein anderer Wissenschaftler bietet hierfür seine Syntax an, da er bereits ein ähnliches Problem damit erfolgreich lösen konnte. Sie kann diese Lösung übernehmen und den Kollegen bzw. den Forumseintrag entsprechend zitieren – indem sie ihre Analysen mit einem Hinweis „entlehnt von“, „orientiert an“ oder „übernommen von“ versieht. Ein entsprechendes Engagement könnte so zu einem Mehr an wissenschaftlicher Reputation führen. Wenn wir es schaffen, eine Handvoll Leute fest an das Forum4MICA zu binden, die bereit sind, dort regelmäßig ihre Expertise zu teilen – so genannte „heavy user“ – wäre das ein Gewinn für alle Seiten. Natürlich geht das nur freiwillig. Wir können niemanden dazu zwingen, aber wir hoffen, hier zumindest eine gewisse Motivation zu schaffen.

„Wir wollen „heavy user“ als Expertinnen und Experten neben den Forschungsdatenzentren für das Forum gewinnen.“

Welche Forschungsdatenzentren sind derzeit am Forum4MICA beteiligt?

Daniel Fuß: Wir haben alle 41 akkreditierten Forschungsdatenzentren eingeladen, sich das Forum anzuschauen und sich am Probebetrieb zu beteiligen. Einige davon verfügten über genügend Ressourcen und ein hinreichendes Interesse, um in der Initialphase dabei zu sein. Aber wir sind grundsätzlich offen, jederzeit weitere Partner einzubinden. So gibt es auch Interessenten, die erst einmal abwarten wollen, wie es so läuft, um dann für sich abzuwägen, inwiefern sich eine Beteiligung lohnt. Wir sind jedenfalls zuversichtlich, dass sich im Laufe der Zeit noch mehr Partner anschließen. Thematisch liegt der Fokus ja auf dem Umgang mit Forschungsdaten aus allen Disziplinen von KonsortSWD – in ihrer ganzen Vielfalt und Heterogenität: Also verschiedene Datentypen und Datenformate sowie diesbezügliche Fragen zum Umgang damit, zur Dokumentation und zum Zugang. Und weil der Verbund Forschungsdaten Bildung und ein Forschungsdatenmanagement-Projekt aus dem Gesundheitsbereich dazugekommen sind, erweitert sich das Themenspektrum gerade auch in Richtung Forschungsdatenmanagement.

Sind weitere Entwicklungen geplant?

Daniel Fuß: Ja, wir werden demnächst einige neue Features von der Testplattform in den laufenden Betrieb übernehmen und auch grafisch noch einiges am Erscheinungsbild der Webseite verbessern. Ganz wichtig ist uns die zukünftige Zusammenarbeit mit dem – übrigens vom DIPF betreuten – Helpdesk des KonsortSWD. Die dort gesammelten Fragen werden teilweise in das Forum4MICA gespiegelt und für den Diskurs zugänglich gemacht. Auch das wird die Themenvielfalt weiter vergrößern.

Was noch?

Daniel Fuß: Also ganz oben steht Mehrsprachigkeit. Wir sind bereits dabei zu testen, wie wir einen automatischen Translator in die Forumsseite integrieren können, damit die Fragen und Antworten bei Bedarf auch in eine andere Sprache übersetzt werden können. Außerdem überlegen wir, einen gesonderten Bereich zu schaffen, in dem man Syntax archivieren und kommentieren kann. Ein Beispiel: Ein Nutzer hat mit einem NEPS-Datensatz gearbeitet, dafür eine eigene Syntax entwickelt und seine Ergebnisse in einem Artikel veröffentlicht. Für die Reproduzierbarkeit wäre es nun wichtig, nicht nur auf die ursprünglichen NEPS-Daten zugreifen zu können, sondern auch auf die Analysesyntax. Doch dafür mangelt es noch an geeigneten Möglichkeiten. Diese Lücke wollen wir schließen, weil davon auch andere Personen profitieren können.

„Es geht darum, effizienter zu werden und stärker voneinander zu profitieren.“

Dann wollen wir im internen Bereich des Forum4MICA den Austausch zwischen den Forschungsdatenzentren voranbringen. So können sich FDZ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus unterschiedlichen Einrichtungen im nicht-öffentlichen Bereich des Forums über ganz konkrete Aufgaben und Probleme aus dem operativen Geschäft austauschen. Zum Beispiel über Anonymisierungsstrategien oder aktuelle Themen wie die Nutzung von Cloud-Lösungen für den Datenzugang. Wir sehen da auf jeden Fall genügend Potenzial für einen niedrigschwelligen Austausch von Wissen und Erfahrungen, der den Forschungsdatenzentren und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nutzt.

Das Forum4MICA als Knotenpunkt für Informationen rund um Forschungsdaten?

Daniel Fuß: Um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Nutzung von Forschungsdaten so einfach wie möglich zu machen, müssen sie schnell und unkompliziert an die richtigen Informationen gelangen. Und weil wir verschiedene Plattformen bzw. Beratungsangebote oder Services haben, ist es naheliegend zu versuchen, die Informationen so gut es geht an einer Stelle zu bündeln – nicht unbedingt in Form einer Masterplattform, aber zumindest in Form von Querverweisen. Wir sehen ja bereits jetzt an den Seitenaufrufen, dass eine gewisse Reichweite des Forums bereits geschaffen ist. Und am Ende ist ein Forum wie das Forum4MICA immer nutzergetrieben; das heißt mit jeder Frage erweitert sich der Inhalt, und je mehr Fragen und Antworten im Forum versammelt sind, desto attraktiver wird es für Leute, die nach entsprechenden Inhalten recherchieren. Mal schauen, wie gut wir diese Dynamik ins Rollen bekommen!

„Wir wollen es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Forschungsdaten nutzen, so einfach wie möglich machen.“

Hat das Forum4MICA denn schon zu spürbaren Arbeitserleichterungen bei den teilnehmenden Forschungsdatenzentren geführt?

Daniel Fuß: Für eine harte empirische Evidenz ist es noch zu früh. Im Forschungsdatenzentrum des LIfBi lassen wir parallel noch unser ganz klassisches E-Mail-Ticketsystem laufen. Wenn Leute uns eine E-Mail schreiben, dann bekommen sie auch eine Antwort darauf. Aber wir können unsere Antwort immer öfter mit einem Link zu einem passenden Forumsbeitrag versehen. Wie erfolgreich das Forum wirklich ist, lässt sich insgesamt nur schwer messen, weil sich nur diejenigen Personen anmelden müssen, die aktiv Beiträge schreiben. Bislang haben wir seit Anfang 2024 knapp 100 registrierte Nutzerinnen und Nutzer mit 190 geposteten Beiträgen. Der Großteil der Nutzung entfällt jedoch auf Personen, die ohne Anmeldung das Forum aufrufen, dort einen Suchbegriff eingeben und in den Beiträgen stöbern. Die mehr als 100.000 Seitenaufrufe zeigen zumindest, dass das Forum4MICA schon recht gut besucht ist. Für die kommende Förderphase ist dann eine größere Nutzendenstudie geplant, bei der wir die beteiligten Forschungsdatenzentren und die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer befragen. Es interessiert uns natürlich auch, wie groß die Resonanz ist und was gut funktioniert und was noch nicht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fuß!


Dr. Daniel Fuß ist Leiter des Forschungsdatenzentrums des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (FDZ-LIfBi) und leitet seit 2021 das Projekt „Forum4MICA – Online-Diskussionsplattform“. Herr Fuß ist außerdem ständiger Gast im Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) und im Leitungsausschuss des Konsortiums für die Sozial-, Verhaltens-, Bildungs- und Wirtschaftswissenschaften (KonsortSWD).

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Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver


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