Forschungsdatenzentren stellen sich vor (5): Das Forschungsdatenzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
Das Forschungsdatenzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (FDZ-DZHW) archiviert quantitative und qualitative Daten aus der Hochschul- und Wissenschaftsforschung und stellt sie zur Sekundärnutzung bereit. Sekundärnutzung heißt hier zweierlei: Eine Nachnutzung für wissenschaftliche Forschungszwecke oder für Lehr- und Übungszwecke. Das FDZ nutzt dafür die üblichen Formate, Scientific Use Files (SUF) und Campus Use Files (CUF). Die verfügbaren Forschungsdaten eignen sich nicht nur für die Hochschul- und Wissenschaftsforschung, sondern auch zur Bearbeitung von Forschungsfragen aus angrenzenden Forschungsfeldern, wie beispielsweise der Schul- oder Arbeitsmarktforschung. Wir sprechen mit Dr. Karsten Stephan, dem Leiter des Forschungsdatenzentrums:
Herr Stephan, können Sie uns die Aufgabe des FDZ für Hochschul- und Wissenschaftsforschung kurz erklären?
Unser Forschungsdatenzentrum ist eine relativ junge Einrichtung. Wir haben den Betrieb erst im Juni 2017 aufgenommen – nach einer zweijährigen Aufbauphase. Wir dokumentieren und archivieren die im DZHW erhobenen Daten zur Hochschul- und Wissenschaftsforschung und stellen sie anderen Wissenschaftlern für die Nachnutzung zur Verfügung. Außerdem beteiligen wir uns mit anderen Einrichtungen auch an der Weiterentwicklung der Infrastruktur für Forschungsdaten, meist in gemeinschaftlichen Projekten.
Drei zentrale Aufgaben: Forschungsdaten herausgeben, Forschungsdaten aufnehmen, Forschungsdateninfrastruktur weiterentwickeln
Und wir betreiben Forschung, um die Qualität unserer Services und der Infrastruktur zu sichern und sie zielgerichtet weiter zu entwickeln. Schließlich geht es ja darum, Forschende so gut wie möglich bei der Nachnutzung der Daten zu beraten und ihnen sowohl bei der Nachnutzung von Daten, als auch bei der Abgabe ihrer eigenen Datenbestände möglichst wenig Hemmnisse in den Weg zu legen. Wir wollen beispielsweise zu Faktoren forschen, die begünstigen oder verhindern, dass Wissenschaftlerinnen uns ihre Forschungsdaten geben – oder eben nicht geben.
Welche Untersuchungen/Forschungsdaten kann man hier finden?
Wir stellen Datensätze aus der Studierendenforschung, der Absolventenforschung und der Wissenschaftsforschung zur Verfügung. In erster Linie sind das bisher Daten aus den größeren Befragungsreihen des DZHW – etwas das Studienberechtigtenpanel, das Absolventenpanel, die gemeinsam mit dem Deutschen Studentenwerk durchgeführte Sozialerhebung und die Wissenschaftlerbefragung. Gerade ist das DZHW dabei, Befragungsreihen neu aufzustellen und zu erweitern; die bisherigen Studien werden dann teilweise in neue Reihen wie Student Life Cycle (SLC) und National Academics Panel Study (NACAPS) integriert; neu erhobene Daten werden dann standardmäßig für das FDZ aufbereitet und der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt. Aber wir haben im DZHW auch einen sehr großen Bestand noch unerschlossener Daten, die bis in die 80er Jahre zurückreichen; für die Forschung sind das sehr wertvolle Bestände, die wir Schritt für Schritt erschließen wollen. Dazu kommen noch die Bestände, die externe Hochschul- und Wissenschaftsforscher dem FDZ-DZHW zur Archivierung und Nachnutzung übergeben.
Und wie sind die Daten aufbereitet?
Wir geben die Datensätze über unterschiedliche Zugangswege in unterschiedlichen Anonymisierungsgraden heraus: Um mit nur schwach anonymisierten Daten zu arbeiten, müssen die Nutzerinnen und Nutzer zu uns ins Haus kommen, stärker anonymisierte Daten sind über einen Remote-Desktop, also über den Fernzugriff auf unseren Zentralcomputer, erhältlich. Und ganz stark anonymisierte Datensätze stellen wir als Downloads zur Verfügung. Um ein Scientific Use File zu erhalten, muss ein Datennutzungsvertrag abgeschlossen werden. Im ersten Jahr unseres Bestehens haben wir etwa 60 solcher Verträge abgeschlossen, damit sind wir sehr zufrieden. Die Campus Use Files, also die am stärksten anonymisierten Datensätze, sind für Lehrzwecke gedacht. Bisher haben wir Campus Use Files für sechs Lehrveranstaltungen herausgegeben; wir erreichen damit ziemlich viele Studierende. Über CUF können Studierende in den Umgang mit Forschungsdaten eingeführt werden. Vielleicht werden einige dann später auch ihre Qualifizierungsarbeiten auf Basis von Scientific Use Files schreiben.
Werden in den bisherigen Sekundäranalysen bestimmte Themen bevorzugt? Zeichnen sich Trends ab?
Übergänge werden oft untersucht – zum Beispiel von der Schule ins Studium, vom Bachelor zum Master oder vom Studium in den Arbeitsmarkt. Ein anderes häufiger bearbeitetes Thema sind soziale Ungleichheiten im Kontext von Studium. Auf alle Disziplinen bezogen entstehen gerade richtig viele Publikationen auf Basis von Sekundäranalyen bestehender Datenbestände, das kann man in dem Tätigkeitsbericht des RatSWD gut nachlesen. (Anmerkung der Redaktion: Tätigkeitsbericht 2016 der vom RatSWD akkreditierten Forschungsdatenzentren 2016, S. 16)
Den Datenbestand welcher Untersuchungen hätten Sie gerne?
Auf einen Blick: Das Forschungsdatenzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
Datenbestand
Zehn Studien mit insgesamt 20 Erhebungen, darunter einige Panel-Studien und ein qualitativer Datenbestand. Die Datensätze werden für verschiedene Nutzungssituationen aufbereitet: Scientific Use Files für die Forschung, Campus Files für die Hochschullehre.
Sammelschwerpunkt
Studierendenforschung, Absolventenforschung und Wissenschaftsforschung
Service
- Datenaufnahme: Beratung zur Dokumentation und Anonymisierung der Daten (Dokumentationsrichtlinien) und Unterstützung bei inhaltlichen, rechtlichen, technischen und allen weiteren Fragen
- Datennutzung: Fragen zum Datenbestand oder zur möglichen Eignung spezifischer Daten für die eigene Forschungsfragestellung; individuelle Beratung
Wer nutzt die Daten
Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die sich mit Studierenden-, Absolventen-, Wissenschaftsforschung und verwandten Forschungsfeldern beschäftigen sowie Hochschullehrende und Studierende
Zum Forschungsdatenzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
Besonders interessant für uns sind Studien, die internationale Vergleiche ermöglichen. Sie werden sehr stark nachgefragt, aber leider haben wir noch keine. Zurzeit wird am DZHW zwar mit mehreren Kooperationspartnern ein Projekt zur Absolventenforschung in Europa geplant, ähnlich wie Euro-Student im Bereich der Studierendenforschung, aber noch ist es nicht soweit. Wenn wir also Daten international-vergleichender Analysen in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung im FDZ hätten, wäre das für uns sehr interessant!
„Wir interessieren uns sehr für Daten international-vergleichender Analysen in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung.“
Nicht zuletzt deshalb sind wir auch auf internationalen Tagungen und Kongressen unseres Forschungsfelds präsent und informieren dort nicht nur über die Möglichkeiten der Sekundärnutzung, sondern auch über die Möglichkeiten der Datenarchivierung. Auch der Verbund Forschungsdaten Bildung stellt für uns eine wichtige Kooperation dar, denn hier wird unter anderem die Annahme von Forschungsdaten aus allen Bildungsbereichen durch die verschiedenen Forschungsdatenzentren koordiniert.
Werden in Zukunft Sekundäranalysen von Forschungsdaten wichtiger werden? Wie schätzen Sie das ein?
Ich denke, dass in Zukunft deutlich mehr mit bestehendem Datenmaterial geforscht werden wird. Für jede Forschungsfrage jedes Mal neue Daten zu erheben, ist doch sehr aufwändig und teuer. Es könnte zudem zu einer noch stärkeren Vernetzung und Integration von Studien in Forschungsverbünden kommen. Datenerhebungen werden also weniger von Einzelpersonen, sondern von größeren Konsortien durchgeführt werden, die die Forschungsdaten an die Community weitergeben. Aus meiner Sicht ist es dann besonders wichtig, auch die Objekte des Forschungsprozesses selbst zu dokumentieren, wie z.B. Datenaufbereitungs- und Analyse-Skripte. Idealerweise müsste es so sein: Man sucht eine Studie, geht auf die Website des FDZ, findet ein publiziertes Forschungsergebnis zur Studie und kann dann unkompliziert auf den zugrundeliegenden Datensatz zugreifen – mitsamt den für die Publikation verwendeten Informationen und Materialien wie Skripte zur Datenaufbereitung und Analyse. Das macht Forschung transparent, nachvollziehbar und ermöglicht es zudem, leichter auf bestehenden Forschungsergebnissen aufzubauen. Solche Aspekte werden auch unter dem Schlagwort „Open Science“ diskutiert. Ich denke, Forschungsdatenzentren sind ein geeigneter Ort, um Reproduzierbarkeit von Forschung zu unterstützen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stephan!
Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver
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Nachtrag der Redaktion: Seit dem 1. Januar 2019 ist Daniel Buck Leiter des Forschungsdatenzentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung