Offenheit, Transparenz und Flexibilität sind wichtige Faktoren für Open Access

Wie erziehungswissenschaftliche Verlage den Herausforderungen von Open Access begegnen

Open Access in der Bildungsforschung (4): Die Situation der Verlage

So lange ist es nicht her, dass wissenschaftliche Verlage ihr Verlagsprogramm überwiegend über Verkäufe an Buchhandel und Bibliotheken und, im Falle von Fachzeitschriften, über Subskriptionsgebühren finanzierten. Seit die Open-Access-Bewegung nun auch offiziell bei den geldgebenden Wissenschaftsorganisationen angekommen ist, wird es für Verlage immer wichtiger, über neue Geschäfts- und Vertriebsmodelle oder alternative Finanzierungsmöglichkeiten nachzudenken. Stichworte sind: Publikationsgebühren, Druckkostenzuschüsse, Publikationsfonds, Crowdfunding und Förderprogramme. Wir wollten wissen, wie kleinere mittelständische Verlage der Erziehungswissenschaft diesen Herausforderungen begegnen – und haben mit zweien gesprochen. FRAGEN AN Melanie Völker, Lektorin beim Waxmann Verlag

Melanie Völker, Lektorin Waxmann Verlag

Frau Völker, welche Modelle nutzt der Waxmann Verlag beim Open-Access-Repositorium pedocs?

Wir liefern Zeitschriften und Monographien an pedocs – entweder über den goldenen Weg, bei dem die Publikation sofort open access erhältlich ist, oder über den grünen Weg mit einer Embargo-Frist. Bei der Buchreihe „Medien in der Wissenschaft“ der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) haben wir schon 2008 damit begonnen, einzelne Bände hybrid zu publizieren – also gleichzeitig als Printpublikation und digital im Open Access; seit 2010 erscheinen nun alle Bände in diesem Format.

Der Waxmann Verlag ist bereits seit 2006 Kooperationspartner von pedocs und veröffentlicht ca. zehn Prozent seines Verlagsprogramms open access.

Zeitschriften veröffentlichen wir bei pedocs insgesamt vier, das Journal for Educational Research Online, die Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, Tertium Comparationis und Die Deutsche Schule. Dabei gehen wir jeweils unterschiedliche Wege: Das Journal for Educational Research Online war von Beginn an, also bereits 2009, ausschließlich digital und als Open-Access-Zeitschrift konzipiert; bei der Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik (ZEP) publizieren wir eine subskriptionsbasierte Printausgabe und stellen die digitale Ausgabe gleichzeitig open access bereit. Für Die Deutsche Schule haben wir seit zwei Jahren eine Open-Access-Vereinbarung mit einer Embargofrist von einem Jahr, für Tertium Comparationis von drei Jahren. Das heißt, dass wir ein Jahr bzw. drei Jahre nach Veröffentlichung der Printausgabe die Ausgaben auch kostenfrei sowohl auf unserer Website als auch über pedocs publizieren.

Was haben Sie als Verlag von der Partnerschaft?

Wir profitieren von der Partnerschaft mit pedocs, weil unsere Autorinnen und Autoren davon profitieren. Zum einen bekommen wir über die Nutzungsstatistiken von pedocs ein unmittelbares Feedback zur Rezeption der einzelnen Publikationen – für Autoren quasi die neue Währung.

„Downloadzahlen sind ja das, was früher die Verkaufszahlen waren.“

Zum anderen sind sie mit ihren Veröffentlichungen über pedocs auch in der zentralen Fachliteraturdatenbank für Erziehungswissenschaft FIS Bildung mit Volltexten präsent.

Wie finanzieren Sie als Verlag Open-Access-Veröffentlichungen?

Wir treffen mit Herausgeberinnen und Herausgebern und Drittmittelgebern von Zeitschriften längerfristige Open-Access-Vereinbarungen. Lassen Sie mich das am Beispiel der Zeitschrift Die Deutsche Schule erläutern: Unsere Verlagsleistungen wurden bisher durch die Abonnements finanziert. Als Verlag müssen wir für die digitale Bereitstellung der Inhalte unsere Leistungspalette erweitern: Titel mit Metadaten anreichern, DOIs vergeben, Einträge in Open-Access-Datenbanken vornehmen – die Anforderungen ändern sich schnell und werden stetig erweitert. Und weil wir über die Open-Access-Bereitstellung keine Erlöse mehr erzielen können, finanzieren wir unsere Leistungen über eine Gebühr.

Und wie hoch sind die Gebühren?

Im Gegensatz zum angloamerikanischen Raum sind in Deutschland – und insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften – Article Processing Charges, auch APCs genannt, nicht etabliert. APCs bezeichnen die Gebühren, die für eine Veröffentlichung eines Artikels in einer Zeitschrift zu zahlen sind. Wir haben daher bei den Zeitschriften in der Regel Vereinbarungen mit den Herausgebern getroffen, dass die Gebühren institutionell bezahlt werden.

Aber Sie haben bestimmt Richtwerte für die Veröffentlichung einer Dissertation oder eines Sammelbands?

Ja, wir haben verschiedene Finanzierungsmodelle, die wir jedoch individuell für jeden Band kalkulieren – das gilt sowohl für Sammelbände als auch für Dissertationen. Hochschulbibliotheken etwa stellen Open-Access-Mittel für Titel bereit. In solchen Fällen verweisen wir unsere Autorinnen und Autoren an ihre jeweilige Hochschulbibliothek.
Grundsätzlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle bei der Kalkulation: Charakter, Umfang und Thema des Buches, seine Verkaufsmöglichkeiten, die hochgerechneten entgangenen Gewinne, die Satzkosten, die wiederum von der Anzahl der Grafiken und Tabellen abhängen, und der Anteil der Eigenleistung eines Autors. Das alles kalkulieren wir individuell für jedes Buch. Bei einem für viele Studierende interessanten Lehrbuch ist der Preis natürlich deutlich höher als bei einer Dissertation, die erfahrungsgemäß weniger Leser findet. Für ein Buch bewegen wir uns daher in einer Spannbreite von 4.000 Euro bis 8.000 Euro. Der Preis beinhaltet unser kleines Lektorat, Korrekturgänge, Abgleichen von Inhalts- und Literaturverzeichnissen und Hinweise bei der Verwendung von Abbildungen hinsichtlich Urheber- und Persönlichkeitsrechten, Qualität der Abbildung und ähnliches. Das machen wir mit jedem einzelnen Buch und jeder einzelnen PDF.

„Wir würden nie einfach nur oberflächlich in die Datei reinschauen und einfach so an die Druckerei weiterreichen.“

Und auch die von den Autoren selbst gesetzten Bücher unterliegen diesen Qualitätskriterien – jede Datei wird dahingehend überprüft, ehe sie in den Druck geht oder ein E-Book entsteht.

Man kann die Gebühr durch Eigenleistung reduzieren?

Ja, manche Autorinnen und Autoren übernehmen den Satz selbst und erstellen mit unserer Unterstützung die Druckvorlage. Aber ob man Verlagsleistungen für Satz und Gestaltung in Anspruch nimmt, ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern auch eine Zeitfrage. Denn die Daten für ein E-Book müssen wirklich sauber sein. Das bedeutet viel Kleinarbeit wie das korrekte Auszeichnen und Verlinken von Überschriften, das Einrichten alternierender Kopfzeilen oder die Vereinheitlichung von Abbildungen und Tabellen. Aber wir stehen den Autorinnen und Autoren auch mit Vorlagen oder telefonischer Beratung zur Seite. Denn natürlich ist uns klar, dass gerade Nachwuchswissenschaftler/-innen kein großes Budget für Veröffentlichungen zur Verfügung haben. Andererseits muss man auch sehen, dass über die VG Wort ein großer Teil des von den Wissenschaftlern eingebrachten Geldes wieder an sie zurückfließt. In 2019 betrug die Pauschale für die 2018 erschienenen Bücher 1.800 Euro, die an die Autoren bspw. einer Dissertation zurückgeflossen sind.

Die Qualität von Open-Access-Veröffentlichungen sei nicht so hoch wie bei Printpublikationen, hört man des Öfteren. Wie sehen Sie das?

Nahezu alle unserer Veröffentlichungen erscheinen in gedruckter Form und als E-Book – letzteres entweder open access oder kostenpflichtig. Deshalb ist es uns sehr wichtig, klarzustellen, dass bei uns für beide Varianten dieselben Qualitätskriterien gelten! Egal ob print oder digital, in Lektorat, Satz oder Marketing stecken wir dieselbe Sorgfalt, unabhängig davon, ob das digitale Angebot einen bezahlten und kostenfreien Zugang hat.

Die EU setzt in ihrem Horizon-2020-Programm auf Open Science. Was bedeutet das für Sie als Verlag?

Für die Autorinnen und Autoren sehe ich hier eindeutig Vorteile. Allerdings müssen wir als Verlage noch flexibler werden, denn die Verbreitung unserer Bücher ist eindeutig größer, wenn sie frei verfügbar und nicht kostenpflichtig sind. Nach wie vor bleiben aber Verlagsleistungen sehr wichtig, denn sie helfen, einen guten wissenschaftlichen Standard aufrecht zu erhalten. Denn selbst wenn wir bereits mehrfach redigierte Texte erhalten, müssen wir immer noch sehr viel Arbeit investieren, um beispielsweise fehlende Quellenangaben im Literaturverzeichnis oder bei Zitaten zu ergänzen. Auf solche Redaktionsarbeit in Zeiten vermehrter Plagiatsvorwürfe zu verzichten, ist nicht wirklich zielführend. Wir müssen zeigen, worin wir gut sind! Die Finanzierung muss gesichert sein und bei der Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle können wir mitarbeiten, indem wir transparent mit den Kosten umgehen.

„Wir müssen klar kommunizieren, welche Leistungen wir erbringen, um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit zu halten und zu verbessern.“

Eine große Rolle spielt auch das Marketing für die fertigen Bücher. Natürlich könnte das auch an der Universität direkt gemacht werden, aber dazu müsste man sich die Kontakte und Kompetenzen erst aufbauen. In den Verlagen gibt es das Personal, die Erfahrungen und die Infrastruktur natürlich schon. Man muss in Open-Access-Datenbanken präsent sein, Bücher und Zeitschriften in einschlägige Indizes eintragen, neueste Entwicklungen auf dem Markt des wissenschaftlichen Publizierens beobachten und gleichzeitig die Interessen der Autoren im Hinterkopf behalten. Das alles funktioniert nur mit Offenheit, Transparenz und Flexibilität.

Zum Schluss: Was wären aus Ihrer Sicht ideale Bedingungen für Open Access?

Ich würde mir wünschen, dass die wissenschaftlichen Disziplinen, in unserem Falle die Erziehungswissenschaft, sich für eine Strukturierung in den Finanzierungsmöglichkeiten einsetzen. Das wäre auch im Sinne unserer Autorinnen und Autoren, denn es kann ja nicht sein, dass in einem Fall die Veröffentlichung von der Bibliothek finanziert wird und im anderen nicht. Problematisch finde ich in dem Zusammenhang die Entwicklung der DEAL-Vereinbarungen: Wenn im Rahmen der Publish-and-Read-Modelle ein Großteil der Bibliotheksmittel quasi für drei große Player gebunden ist, kann von einer Gleichbehandlung der Verlage keine Rede sein; diese Fokussierung geht meines Erachtens zu Lasten der Qualität, die durch einen Wettbewerb gefördert wird. Wirklich wichtig finde ich außerdem eine grundsätzliche Offenheit und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Verlagen, Bibliotheken und fachlichen Repositorien, denn nur so kann jeder seine Leistungen im Sinne der Wissenschaftler/-innen und der wissenschaftlichen Qualität einbringen.

Vielen Dank für das Gespräch Frau Völker!


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver


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