„Um Lehrkräfte digital kompetent zu machen, müssen alle Phasen der Lehrerbildung vernetzt werden.“

Das Projekt DikoLa arbeitet an der Professionalisierung der Lehrerbildung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation

Porträtfoto Katharina Heider

Dr. Katharina Heider, Projektkoordinatorin von DiKoLA

FRAGEN AN Dr. Katharina Heider, die an der MLU Halle-Wittenberg das Projekt DikoLa „Digital kompetent im Lehramt“ koordiniert. In DikoLa werden die an der Universität ergriffenen Maßnahmen, laufende Projekte und noch zu entwickelnde Vorhaben zur Digitalisierung in der Lehrer*innenbildung in eine universitätsweite Gesamtstrategie überführt. Die Projektarbeit ist in die Bereiche Studium, Lehre, Schule, Forschung, Digitales Lernlabor strukturiert. Um die digitalen Kompetenzen in die Schul- und Unterrichtspraxis zu implementieren, wird außerdem der enge Austausch zwischen allen an der Lehrkräftebildung Beteiligten aktiv gefördert. Mit Frau Heider sprachen wir darüber, wie Lehrkräfte und Lehrerbildung die „Schule der Zukunft“ mitgestalten können.

Frau Heider, was können Lehrkräfte zu einer „Schule der Zukunft“ beitragen?

Mit der Digitalisierung, der Klimakrise und dem Krieg in Europa befindet sich die ganze Gesellschaft inmitten eines Wandlungsprozesses – und natürlich sind Lehrkräfte an Schulen und Universitäten in vielerlei Hinsicht gefordert, mit all diesen Herausforderungen adäquat umzugehen. Ich denke, Lehrerinnen und Lehrer brauchen das, was wir auch den Lehrenden an Hochschulen empfehlen und was jeder im Grunde für seine tägliche Arbeit braucht: Eine Offenheit, ein sogenanntes „Open Mindset“, um die Geschehnisse des Alltags und die vielen globalen Anforderungen reflektieren zu können und gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern in einen Lernprozess zu kommen; denn auch sie dürfen und können Verantwortung für die Zukunft tragen.

„Lehrkräfte brauchen ein „Open Mindset“, um gemeinsam mit Schülern in einen Lernprozess zu kommen.“

Aber auch Lehrerinnen und Lehrer agieren innerhalb eines bestehenden Rahmens.

Natürlich sind die Rahmenbedingungen von Institution zu Institution unterschiedlich. Aber wenn eine Lehrerin so kreativ und offen ist, dass sie ihr Unterrichtssetting an die neuen Bedingungen der Kultur der Digitalität anpasst – zum Beispiel durch die Arbeit mit digitalen Anwendungen und Geräten – ist schon viel gewonnen! Außerdem brauchen Lehrerinnen und Lehrer ganz klar auch Unterstützung von außerschulischen Partnern.

Ein Schwerpunkt des Projekts Dikola ist die digitale Kompetenzentwicklung der Lehrenden.

Im Gegensatz zu anderen Universitäten findet die Lehrerbildung an der MLU Halle-Wittenberg nicht zentral an einer „School of Education“ statt, sondern ist verortet in den jeweiligen Fakultäten und Instituten sowie im Fachbereich Erziehungswissenschaft. Unsere Lehramtsstudierenden sind also über die gesamte Universität und die ganze Stadt verteilt, entsprechend heterogen ist natürlich auch die Dozentinnen- und Dozentenschaft.

„Auch Dozentinnen und Dozenten setzen die digitalen Tools und Systeme mittlerweile sehr kreativ ein.“

Seit unserem Projektstart erleben wir, dass sich immer mehr Dozentinnen und Dozenten für die Digitalisierung interessieren; sie suchen nicht nur Beratung und Impulse – in unserem digitalen Lernlabor werden auch gemeinsam digitale Lehr-Lern-Szenarien entwickelt und ausprobiert, Videos produziert und Podcasts aufgenommen. Interessanterweise ist der Zustrom ins Lernlabor aus den Sprach-, Geistes- und Sozialwissenschaften größer als aus den Naturwissenschaften, die sind nämlich meist selbst sehr gut ausgestattet.

Wie nehmen die Studierenden die Angebote des „digitalen Lehrens und Lernens“ an?

Dass Unterrichten digital möglich und selbstverständlich ist, müssen Lehramtsstudierende zunächst selbst an der Universität erleben; aus dem eigenen Erleben als Schüler*innen kennen sie das meist nicht. Erst die individuelle positive Erfahrung sorgt dafür, dass man später im eigenen Unterricht ganz selbstverständlich auf digitales Instrumentarium zurückgreift. Das ist unsere tiefe Überzeugung! Und das Feedback von den Studierenden auf unsere im Projekt entwickelten Angebote ist sehr positiv: Einen Podcast oder ein Erklärvideo zu produzieren, ist für sie mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Bei allen unseren Angeboten ist es uns wichtig, Studierenden eine grundlegende Kompetenz im Umgang mit Lernsystemen zu vermitteln; sie sollen den souveränen Umgang mit digitalen Tools und Lernmanagement-Systemen lernen, unabhängig davon, welches Whiteboard oder welche Lernumgebung in einer Schule eingesetzt werden.

Das Aneignen digitalisierungsbezogener Kompetenzen von Lehramtsstudierenden beginnt mit der Gestaltung von Lehrveranstaltungen.

Wie werden die im Projekt entwickelten Konzepte, Maßnahmen und Strukturen in die reguläre Lehramtsausbildung implementiert?

Unsere Strategie zur Digitalisierung in der Lehrerbildung orientiert sich an der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. Und natürlich freuen wir uns über das kürzlich verabschiedete Papier der Hochschulrektorenkonferenz „Lehrer:innenbildung in einer digitalen Welt“, das unsere Arbeit untermauert. Bis Ende der Projektlaufzeit 2023 wollen wir unsere Strategie in verschiedenen Handlungsfeldern umsetzen, „Forschung und Transfer“ ist eines davon. Die Digitalisierung in die einzelnen Bereiche der Lehrerinnenbildung zu tragen und in den Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften, Fachdidaktiken curricular zu verankern, ist eine große Aufgabe. Aber wir sind sicher, mit unseren Vorarbeiten und unseren Implementierungsvorhaben eine solide Grundlage für eine moderne Lehrerbildung zu schaffen. Unsere Studenten stürmen ja jetzt schon Seminare und Workshops zu Themen wie Urheberrecht oder Datenschutz. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass diese bislang außercurricular angebotenen Seminarreihen selbstverständlich fortgesetzt werden.

Die Projektstruktur von DikoLa

Die Strategie zur Digitalisierung der Lehrerbildung bildet Rahmen und Grundlage für die Verankerung des Themas in allen Bereichen der Lehrer*innenbildung. Perspektivisch ermöglicht sie die Verstetigung der mit dem Projekt entwickelten Konzepte, Maßnahmen und Strukturen.

Im Bereich Fokus Studium wird der Erwerb von didaktischen und technischen Kompetenzen unterstützt. Neben fakultativen Workshop-Angeboten werden auch langfristig verbindliche Formate in der Lehrerkräftebildung entwickelt und verankert.

Fokus Lehre: Hier liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung der digitalen Kompetenzen von Lehrenden. Es geht darum, digitale Anwendungen durch Weiterbildungs- und Informationsformate in die Lehre zu integrieren, Peer-to-Peer-Beratungen anzubieten und bei der Lehrkonzeptentwicklung mediendidaktisch zu unterstützen.

Fokus Schule: Um Lehrkräfte auf dem Weg zu einer Kultur der Digitalität zu unterstützen, initiiert und begleitet DikoLa Projekte zum Einsatz digitaler Medien – sowohl für einzelne Phasen der Lehrkräftebildung als auch phasenübergreifend.

Fokus Forschung: In drei in den Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften angesiedelten Promotionsvorhaben findet eine Begleitforschung des Gesamtvorhabens statt.

Im Digitalen Lernlabor können sich alle Akteure der Lehrerbildung eigenständig und konstruktiv mit digitalen Medien, Methoden und Konzepten auseinandersetzen.

Ein besonderes Augenmerk des Projekts liegt auf der Vernetzung aller Phasen der Lehrerbildung.

Ja, wir versuchen alle drei Phasen der Lehrer*innenbildung sinnvoll miteinander zu verbinden: das Studium, das Referendariat – oder den Vorbereitungsdienst, wie es in Sachsen-Anhalt heißt – und die Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, die im Berufsalltag stehen. Und weil wir großen Wert auf Transfer legen, arbeiten wir in Austauschformaten wie „Train@Trainer“, Transfer-Café und verschiedenen phasenübergreifende Projekten mit Referendaren und Lehrkräften zusammen. So tragen wir viel Know-how aus der Hochschule in die Schulen hinein und gewinnen wertvolle Erkenntnisse über die praktische Umsetzbarkeit der entwickelten mediendidaktischen Ansätze und Methoden unserer Lehreraus- und weiterbildung.

Mit verschiedenen phasenübergreifenden Formaten werden Theorie und Praxis vernetzt.

Was muss sich neben der Digitalisierung in der Lehrerbildung noch ändern, damit Schule für die Zukunft gut aufgestellt ist?

Für uns ist Digitalisierung ein Querschnittsthema, sie kann jeden einzelnen Bereich der Lehrer*innenbildung beeinflussen, anreichern und unterstützen; herkömmliche Methoden des Lehrens und Lernens werden dadurch nicht ersetzt. Aber mit digitalen Tools und Anwendungen lassen sich viele Themen voranbringen, zum Beispiel Bildung für nachhaltige Entwicklung: Der Klimawandel betrifft die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen und muss deshalb natürlich in der Schule als Thema aufgegriffen werden! Und egal, ob im regulären Unterricht oder einem eigens konzipierten Projekt: Eine Lehrkraft kann Schülerinnen und Schüler die Luftverschmutzung mit kleinen Robotern messen oder auch mit Smartphones Temperaturmessungen vornehmen lassen. Die digitalen Werkzeuge sind ja da, man muss sie einfach nur mitdenken und in den Unterricht integrieren.

Dikola ist auch im Erfahrungsaustausch mit Estland und mit Österreich. Was kann die Lehrerbildung von diesen Ländern lernen?

Beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen, haben aber jeweils andere Zugänge gewählt. In Estland wurden die Schulen und Hochschulen schon frühzeitig technisch sehr gut ausgestattet – im Vergleich müssen wir uns aber überhaupt nicht verstecken. Zwar ist unsere Ausstattung nicht so gut, dafür sind wir viel weiter in unserem Reflexionsprozess. Es war für uns wichtig zu erkennen, dass unser Nachdenken darüber, wie sich Digitalisierung auf Lehr-Lern-Prozesse und den Aufbau didaktischer Lernszenarien auswirkt, für die Kollegen in Estland eine ganz neue Dimension ist! Sie waren erstaunt, dass wir im Unterricht nicht einfach alles umgestellt haben, und wollen nun von unserem Umgang mit digitalen Tools lernen – und auch wissen, wie wir unsere Erkenntnisse den Studierenden vermitteln. Leider steht unser Besuch wegen der aktuellen Geschehnisse, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg, noch aus. Er ist jetzt für Herbst 2022 geplant.

„Die technische Ausstattung der Schulen ist in Estland sehr gut, dafür sind wir im Reflexionsprozess über Digitalisierung und Lernen viel weiter.“

In Österreich ist die technische Ausstattung der Schulen etwa wie bei uns in Deutschland, vielleicht ein bisschen besser. Weiter sind die österreichischen Kolleginnen und Kollegen aber im Hinblick auf Medienbildung, sie ist dort bereits als Schulfach etabliert und in der Hochschule Graz auch curricular verankert. Als Lehramtsstudierende kommt man also unabhängig vom Studienfach mit diesem Thema in Berührung.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Heider!

Dr. Katharina Heider ist Projektkoordinatorin von DiKoLA und dort u.a. für die Entwicklung der Gesamtstrategie und die Leitung des Teilprojekt „Digital Competences in Teacher Education“ (DiCoTe) zuständig. Mit DiCoTe wird der europäische Erfahrungsaustausch zur Digitalisierung der Lehrer*innenbildung und zur aktiven Gestaltung von Bildungsprozessen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation gefördert.


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver.


3 Kommentare

  1. „Reflexionsprozess über Digitalisierung“ soll heissen, dass Lernen digital nicht unbedingt „besser“ funktioniert, oder?

    LG, Marie

    • Schumann

      So hatte ich Frau Heider nicht verstanden. Mit Reflexion der Digitalisierung meint sie, wie sich der Einsatz digitaler Geräte auf Lehr-Lern-Prozesse und den Aufbau didaktische Lernszenarien auswirkt.
      Schöne Grüße, Christine Schumann

  2. tolles Interview! Endlich mal wird nicht alles auf die Schüler geschoben, sondern es ist auch von einem Lernprozess der Lehrer die Rede, sehr gut, so sollte es auch sein!

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