Schulberatung mit multiprofessionellem Team, intensivem kollegialen Austausch und systemischem Ansatz

Bildungsberatung (6): Das ReBUZ in Bremen – eine zentrale Einrichtung für Fragen und Probleme rund um die Schule

INTERVIEW mit Ute Wiegand, Leiterin des ReBUZ Ost, eines der vier nach Himmelsrichtungen gegliederten schulbezogenen Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren, kurz ReBUZ, in Bremen. Als nachgeordnete Dienststellen der Senatorin für Kinder und Bildung sind die ReBUZ, von den Schulen unabhängige, aber zentrale Einrichtungen für Fragen und Probleme rund um die Schule. Die Zentren vereinen Beratung, Diagnostik, Prävention, schulunterstützende Maßnahmen, Koordinierung, Kooperation, Netzwerkarbeit und Intervention bei Gewaltvorkommnissen, Krisen und Notfällen. Auch bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf zu Lernentwicklung, zur sozio-emotionalen Entwicklung oder zu Themen wie Schulvermeidung oder Übergänge stehen die Teams der vier Zentren allen Schülern, Schulen, Lehrkräften und Eltern zur Verfügung. Mit Frau Wiegand sprachen wir über die besondere Struktur des ReBUZ und welche Vorteile sie für die schulische Beratung hat.

Ute Wiegand, Leiterin des ReBUZ-Ost in Bremen

Frau Wiegand, welche Aufgaben und Ziele hat das ReBUZ?

Wir beraten Eltern, Schüler und Lehrer zu vielfältigen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Beschulung einzelner Schüler. Im Grunde haben wir drei Aufgabenfelder: Wir sind Fachstelle, Beratungseinrichtung und bieten schulunterstützende Maßnahmen an. Als Fachstelle haben wir zu jedem Themenfeld mindestens eine Person mit einem vertieften fachlichen Schwerpunkt – etwa zu Lese-Rechtschreibschwäche, Krisenintervention oder psycho-sozialen Problemlagen. Diese Experten sind erfahren in diagnostischen Fragen, machen Beratung, können Empfehlungen an Schulen aussprechen und auch außerschulische Institutionen einbeziehen. Beratungsleistungen erbringen wir in drei Feldern: In der Lernentwicklung geht es um Lernleistungsprobleme von Schülerinnen und Schülern wie Lese-Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche, besondere Begabung oder Sprachentwicklung. Bei der sozio-emotionalen Entwicklung sind Verhaltensauffälligkeiten, Autismus, Gewalt, Sucht oder Schulvermeidung die häufigsten Themen. Weitere Beratungsfelder sind Schullaufbahn und Übergänge in andere Schulen, in Ausbildung oder Studium. Die Maßnahmen bieten Unterstützung und ab Klasse 5 auch Unterricht für Schüler mit hochgradigen sozial-emotionalen Auffälligkeiten, schulmeidendem Verhalten oder bei besonderen Gewaltverhalten.

Struktur und Aufgaben des ReBUZ Bremen

Das ist ein ziemlich breites Angebotsspektrum, das es so in keinem anderen Bundesland gibt. Woher kommt das?

In anderen Bundesländern gibt es zwar Einrichtungen mit recht ähnlich klingenden Namen, das SIBUZ in Berlin oder das ReBBZ in Hamburg, aber inhaltlich haben sie doch einen anderen Auftrag. So gesehen sind wir wirklich eine einzigartige Konstruktion, die aus den früher eher vereinzelten Beratungsstellen und -dienstleistungen für Schulen in Bremen hervorgegangen ist. Dazu gehörten der schulpsychologische Dienst, die LRS-Beratungsstelle und die Schullaufbahnberatungsstelle, die zunächst noch in der Vorgängereinrichtung „Zentrum für schülerbezogene Beratung“ zusammengefasst wurden. Erst als man im Rahmen der UN-Konvention zur Inklusion überlegte, wie eine Beratung in einem inklusiven Schulsystem aussehen kann, wurde mit der letzten großen Schulgesetz-Reform in Bremen 2010 das ReBUZ mit neuen Aufgaben gegründet.

Eine zentrale Anlaufstelle für alle schulischen Problemlagen.

Der große Vorteil an der heutigen Struktur ist, dass es für alle – also für Schulen wie Eltern – eine zentrale Einrichtung gibt, die alle Fragen zu schulischen Problemlagen abdeckt. Mit einer Ausnahme: Für Einschränkungen im Bereich Sehen und Hören, Unterstützte Kommunikation oder körperlich-motorische Beeinträchtigung unterhält Bremen separate sonderpädagogische Förderzentren, mobile Dienste und Beratungsstellen, weil es dafür ein spezifisches technisches Equipment und auch besondere Erfahrungen braucht.

Wie hoch ist der Beratungsaufwand?

In den ReBUZ haben wir gut 6.000 Beratungsanfragen pro Jahr. Im Einzugsgebiet des REBUZ Ost sind rund 22.000 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 1-13, davon ungefähr 2000 Berufsschüler und circa 300 Privatschüler. Dafür haben wir im ReBUZ-Ost 32 fest angestellte Menschen, acht Personen sind dem Arbeitsfeld Maßnahmen zugeordnet, 21 sind in der Beratung tätig; dazu kommt noch jeweils eine Stelle für Verwaltung, Leitung und Stellvertretende Leitung. Das sagt natürlich nichts über den Betreuungs- bzw. Beratungsaufwand aus, dafür sind die Beratungsfälle viel zu unterschiedlich.

Die Beratungsfälle reichen von Lese-Rechtschreibschwäche über Sucht bis zur Schullaufbahnberatung.

Themen wie Lese-Rechtschreibschwäche haben zwar eine hohe Fallzahl, sind aber nicht so personal- oder zeitintensiv, weil die Prozesse in einzelnen Bereichen standardisiert sind: Es gibt einen Termin mit dem Test, die Auswertung, das Rückmeldegespräch, den Bericht und gegebenenfalls die schriftliche Bescheinigung. Eine Beratungsanfrage wegen Unterrichtsstörung und psychische Auffälligkeiten lässt sich natürlich nicht so gut kalkulieren, das kann ein längerer Prozess sein. Wir können auch nicht sagen, wie viel Zeit wir im Schnitt für einen Beratungsfall aufbringen. Es gibt Ratsuchende, die sich nach kurzer Zeit wieder handlungsfähig und sicher fühlen und den Beratungsprozess recht schnell wieder beenden. Und es gibt Situationen, die eine sehr intensive Beratung über Wochen oder Monate erforderlich machen und unter Umständen Schüler, die in Intensivmaßnahmen unserer Sozialzentren oder in die Fremdunterbringung müssen. Auch längere Klinikaufenthalte von Schülern verlängern den Beratungszeitraum, obwohl man vielleicht nur alle paar Monate zu einem Netzwerktreffen geht.

Wie setzen sich die Teams zusammen?

Wir arbeiten in multiprofessionellen Teams mit Psychologinnen und Pädagogen, Sonderpädagogen und Sozialpädagoginnen. Den größten Anteil an Beratungsanfragen haben wir zu Problemen in der sozio-emotionalen Entwicklung, wenn es also um die Sucht und Schulvermeidung geht, um Verhaltensauffälligkeiten oder um Gewalt. Bei Krisen und Notfälle wie beispielsweise eine Messerstecherei auf dem Schulhof mit mehreren Verletzten und wenn die Betroffenheit entsprechend groß ist, arbeiten die extra geschulten Kollegen aus den Krisenteams ReBUZ-übergreifend zusammen. Aber, und das muss man ganz klar sagen, erste Ansprechpartner für Probleme in der Schule sind immer die Lehrerinnen und Lehrer der jeweiligen Klasse, die sich an die schulinternen Fachleute in ihrem Zentrum für unterstützende Pädagogik (ZUP), die es in Bremen an jeder Schule gibt,wenden können. Das muss man sich wie ein gestaffeltes System vorstellen.

Beratungsanlässe beim ReBUZ: 40% der Beratungsanfragen beziehen sich auf den sozio-emotionalen Bereich

Wie kommt eine Beratung zustande?

Wenn ein Lehrer zum Beispiel Beratungsbedarf in Bezug auf eine bestimmte Schülerin hat, bespricht er das zunächst mit dem ZUP der Schule und stellt im nächsten Schritt eine offizielle Beratungsanfrage an uns. Dann kommt es entweder zu einer Beratung der Lehrperson, oder es wird direkt mit der Schülerin gearbeitet. Manchmal kommen auch Schüler in der Altersgruppe 16 bis 18 Jahre zu uns, die sich zum Thema Übergang in die Ausbildung oder Schullaufbahn informieren wollen. Auch Eltern melden sich bei uns, wenn sie Probleme mit ihren Kindern haben.

Und dann?

Die eingegangen Beratungsanfragen werden immer montags in den ReBUZ verteilt – an eine Person oder, wenn es sich um eine komplexe Fragestellung handelt, die zusätzliche psychologische, pädagogische oder auch sonderpädagogische Kompetenz benötigt, auch an ein Team von zwei Kollegen. Der erste Schritt ist die telefonische Kontaktaufnahme zum Ratsuchenden, meistens ein Lehrer, mit dem die Fragestellung genau geklärt wird. Dann werden konkrete Maßnahmen überlegt, Verantwortlichkeiten festgelegt und geprüft, ob und wo es von außerhalb noch Hilfe geben kann. Im sozio-emotionalen Bereich kann das beispielsweise eine Hospitation im Unterricht und/oder ein Gespräch in der Schule sein, in das unter Umständen auch die Eltern eingebunden werden; es können auch Runde Tische mit allen Beteiligten einberufen werden.

„Wir arbeiten nicht lebenslang mit den Ratsuchenden, wir sehen uns eher als Netzwerker.“

Wenn es um Probleme innerhalb der Familie geht, werden manchmal auch über das Amt für soziale Dienste Kontakte geknüpft, um die Eltern angemessen zu unterstützen, oder es werden Empfehlungen hin zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung ausgesprochen. Man schaut, welche Unterstützung Eltern brauchen, um mit ihren Kindern bestimmte/notwendige Schritte gehen zu können. Die Beratung kann da schon sehr intensiv sein.

Bildungsberatung beim Deutschen Bildungsserver

In unserem Dossier „„Bildungsberatung: Wege durch das deutsche Bildungssystem“ haben wir Informationen und Möglichkeiten der Beratung zusammengetragen. Und da Beratungsbedarf entlang der (Bildungs-)Biografie entsteht und an den verschiedenen Stationen im Bildungssystem unterschiedlich ausgeprägt ist, orientieren sich unsere Informationen vorrangig am Bildungsverlauf und sind nach Bildungsbereichen bzw. entsprechenden Übergängen gegliedert.

„Bildungsberatung im Schulbereich“
Beratungsschwerpunkte während der Schulzeit sind die Schullaufbahnberatung und Berufsorientierung, die Lernberatung und Beratung bei Problemen. Hauptakteure sind dabei die Schulen, der schulpsychologische Dienst und die Arbeitsagenturen. Unser Themenbereich Schule bietet Informationen zur Schullaufbahnberatung in den Bundesländern, Schuldatenbanken und Schulverzeichnisse, die bei der Wahl der passenden Schule helfen, eine Übersicht zu den Möglichkeiten des Erwerbs der Fachhochschulreife in den Bundesländern sowie eine Informationssammlung zur Studien- und Berufswahl. Zur Seite Bildungsberatung im Schulbereich.

Sozialpädagogische Unterstützung und Beratung

 Sind Lernleistungsprobleme auch so betreuungsintensiv?

Wenn wir uns als Fachstelle um Lernleistungsprobleme kümmern, geht es eher um Fragen der Diagnostik: Wir schauen uns den Schüler oder die Schülerin genau an, führen standardisierte Tests mit ihnen durch, melden die Diagnose an die Lehrkräfte zurück und geben Empfehlungen, die sie im Unterricht direkt umsetzen können. Im Bereich Rechenschwäche hospitiert der Expertenkollege beispielsweise im Unterricht und macht die Diagnostik, gegebenenfalls auch Kognitionsdiagnostik. Danach kommen die Auswertungsgespräche mit den Eltern und die fachliche Beratung für die Schule mit konkreten Empfehlungen von Materialien für eine sinnvolle Förderung. Das kann sehr aufwändig werden und ist bei wachsenden Schülerzahlen nicht immer leicht zu bewältigen.

Woran merken Sie, ob eine Beratung gut gelaufen ist?

Am Thema Evaluation sind wir zurzeit noch dran (lacht). Um unsere Arbeit zu verbessern wollen wir in Zukunft systematisch Rückmeldungen über Fragenbogen erheben, aber das haben wir noch nicht komplett ausgearbeitet. Aber auch so erhalten wir schon viel direkte Rückmeldung! Die Kollegen hören oft: „Oh das war total hilfreich für mich!“ Und wir merken, dass Kollegen die Unterstützung als hilfreich erlebt haben – einfach, weil sie uns immer wieder anfragen. Auch wenn wir manchmal personelle Engpässe haben, bin ich davon überzeugt, dass das ReBUZ ein supertolles Konstrukt zur Beratung von Schulen ist. Die Arbeit in multiprofessionellen Teams und der Austausch der Kollegen untereinander sind unglaublich wertvoll, weil jeder den Schwerpunkt des anderen kennt, man sich gegenseitig unterstützt und einbezieht. Das führt zu einer Qualität in der Beratung, die bei den Ratsuchenden ankommt!

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wiegand!


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver.


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